Jeff Hayzlett ist ein massiger Herr von ausnehmend sympathischer Art. Vergangene Woche lernte ich den obersten Marketing-Chef von Kodak beim Innovationskongress DLD in München kennen. Hayzlett ist begeistert vom Web. Jeder zehnte Kodak-Mitarbeiter sei bei Facebook zu finden: „Das ist schon nicht schlecht.“
Ein deutscher Manager hätte diese Zahl wohl ähnlich kommentiert – unter Weglassung der Worte „schon“ und „nicht“. So schilderte mir der Marketing-Manager eines deutschen Autokonzerns zwischen Schmunzeln und Verärgerung, dass sein Vorgesetzter den Zugang zum Business-Netz Xing sperren lassen wollte. Grund: Dort sei schon eine vierstellige Zahl von Mitarbeitern der Firma zu finden.
Diese Haltung wird sich ändern – zwangsläufig. Denn genau jetzt rollt eine neue Generation heran. Es ist die erste, die ein Leben ohne Internet nicht mehr kennt, ihre Vertreter nutzen das Web so selbstverständlich „wie sie atmen“, schreibt der kanadische Unternehmensberater Don Tapscott in seinem Buch „Growing up digital“. Mehrere tausend junge Menschen befragte er für das Werk. Sein Fazit: Der Nachwuchs will arbeiten, wie er will – nicht wie der Chef es vorschreibt. Im Gegenzug ist er arbeitswilliger, kommunikativer und teamorientierter als seine Vorgänger – Arbeit ist für ihn Spaß.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die Beratung Accenture in Deutschland. Der Nachwuchs erwarte am Arbeitsplatz die gleichen technischen Möglichkeiten wie daheim. Nur liefen die Firmen heute der Entwicklung hinterher. Typisch deutsch der Rat der Berater: Firmen sollten einen Wildwuchs an Endgeräten verhindern und immer schön auf die Sicherheit achten.
Doch die neue Generation wird bei ihrem beruflichen Aufstieg langsam aber sicher die Türen öffnen für neue Technik. Unternehmen, die dies als erste begreifen, werden dann die besten Talente für sich gewinnen, sagt Autor Tapscott. Sich wehren bringt dagegen wenig. Irgendwie findet der Nachwuchs immer eine Möglichkeit, technische Restriktionen auszuhebeln. So wie jener junge CEO, der das Unternehmen USA leitet. An seinem ersten Tag hieß es, er könne seinen Blackberry aus Sicherheitsgründen nicht behalten. Nun hat Barack Obama sein Smartphone aber zurück und die Mitarbeiter bekommen freie E-Mail-Dienste. Sogar Wlan soll im Weißen Haus verfügbar werden.
Kommentare
Jan Manz 2. Februar 2009 um 12:04
\“Diese Haltung wird sich ändern – zwangsläufig.\“ Richtig. Nur: Dies wird leider noch etwas dauern, fürchte ich.
Nicht nur auf Kommunikations-Seite ist festzustellen: Im Normalfall gibt es in den Unternehmen wie in der Gesellschaft zu obigem Thema einen Generationenunterschied, der mehr als \“normal\“ ist, vielmehr unüberbrückbar scheint.
Auf der einen Seite die ältere Generation, die das Top-Down verinnerlicht hat, was einem Dialog nicht zuträglich ist. Und schon gar nicht dem \“Zuhören\“, was Voraussetzung für Lernen wäre. Und unabdingbar im Web ist.
Und auf der anderen Seite die Jüngeren, die …
– entweder schon mit dem Web groß geworden sind, für die XING, Facebook & Co kein Thema sind – weil es \“normal\“ ist. Und die die ältere Generation nicht mehr versteht.
– oder die sich mit den Möglichkeiten des Web mehr oder weniger intensiv beschäftigen, die neuen Formen ausprobieren, abschätzen, und das Beste daraus sich zu Nutze machen.
Letzteres ist in meinen Augen das Entscheidende: Es wäre falsch, das Alte zu verteufeln und nur mehr in neuen Kommunikationsformen zu denken. Aber es ist fatal, die ungeheuren Möglichkeiten des \“neuen Web\“ (ich scheue den überholten Web 2.0-Begriff) außen vor zu lassen.
stefan niggemeier 2. Februar 2009 um 12:14
Darf ich mal zwei ganz doofe Fragen stellen? Warum ist es gut, bei Facebook zu sein? Und warum ist es für einen Arbeitgeber gut, wenn seine Mitarbeiter bei Facebook sind?
Youngster 2. Februar 2009 um 12:39
Kann mich stefan niggemeier da nur anschließen. Ist es gut, wenn ein Mitarbeiter sein Privatleben auf Facebook schonungslos offen legt und bei jeder Gelegenehit schreibt/\“twittert\“: \“Hans hat jetzt Pause\“. \“Hans schreibt gerade einen Artikel\“, usw. Und bei XING? Klar, Kontakte, Kontakte, Kontakte… Aber Headhunter treiben da auch ihr Spielchen, manche Manager mögen das vielleicht nicht gerne sehen. Oder anders: Wenn der Kodak MArketing-Chef seine besten Mitarbeiter verliert, weil sie von Head-Huntern auf XING abgeworben wurden, findet er das sicher nicht mehr so toll…
Ponscho 2. Februar 2009 um 12:43
Die neue Generation kommunikationsfreudiger? Aber bestimmt nicht produktiver! Arbeitsorganisatorische Untersuchungen deuten darauf hin, dass extensiver EMail-Gebrauch die Produktivität behindert. Nicht umsonst und zu Recht wird in einigen Unternehmen über einen EMail-freien Arbeitstag nachgedacht. Das ganze ist häufig nicht mehr als Geschnatter (Twittern).
Von den drei K\’s Kommunikation, Koordination und Kooperation realisiert das Web heute hauptsächlich nur das erste K. Das zweite K vielleicht ein bisschen. Die Nutzung als Kooperationswerkzeug ist dagegen noch gar nicht entwickelt. Kollaborative CMS beispielsweise bilden die Ausnahme. Statt dessen werden wir zum einen von individualistisch geprägten Blogs überflutet, bei denen die Autoren glauben, sie hätten der Welt was wichtiges mitzuteilen. Und dann wird dort wieder nur über Twittern diskutiert.
Zum anderen gibt es diese Social-Networks. Hauptsächlich ein Instrument der Selbstvermarktung und des unverbindlichen Geplauders mit dem Bildschirm dazwischen.
Die öffentliche politische Diskussion wird durch die neuen Technologien nicht wirklich befördert. Sie verliert statt dessen an Qualität weil zusätzlich die Aufmerksamkeit neben Fernsehen (RTL), Zeitung (Bild, Handelsblatt) und Radio (RTL) noch durch einen weiteren Kanal gebunden wird und die etablierten Medien diesen Kanal besetzen ohne ein Geschäftsmodell zu haben. Natürlich ist das teuer und reduziert damit die Qualität der Berichterstattung insgesamt.
Das Ergebnis ist Null-Fortschritt in allen Bereichen sowie postmoderne Langeweile. Selbst die Finanzkrise verliert nach 14-Tagen an Aufmerksamkeit. Passive resignative Gleichgültigkeit macht sich trotz der Aufgeregtheiten der Gazetten breit.
Und dass der Obama mit Blackberry produktiver ist, muss der erst noch beweisen. Vorerst und der allgemeinen Lebenserfahrung nach ist Obama nichts anderes als ein Hype.
dogfood 2. Februar 2009 um 13:15
Es gab im Dezember ein Artikel im Economist, der dazu passt wie Faust auf Auge.
Managing the Facebookers — The balance of power between old-school managers and young talent is changing—a bit
http://www.economist.com/opinion/displaystory.cfm?story_id=12853955
Thomas Knüwer 2. Februar 2009 um 13:56
Interessant sind die Vorannahmen, die hier getroffen werden. Bei Facebook wird das Privatleben also \“schonungslos\“ offengelegt? Es ist Zeitverschwendung? Nun, zum ersten legt jeder sein Privatleben so weit offen, wie er mag. Ohne eine Offenlegung aber keine Kommunikation. Wenn ich nichts über den anderen weiß, kann ich nicht mehr mit ihm reden als das Wetter anzusprechen.
Dann kommt die Technik hinzu. Der Facebook-Chat ersetzt für manchen schon heute den durch die übereifrige Firewall geblockten Instant Messenger. Und Instant Messenger machen Kommunikation effizienter.
Ist Kommunikation etwas Schlechtes? Aus meiner Sicht nicht. Im Gegenteil. Nichts ist für einen Arbeitgeber besser, als kommunizierende Mitarbeiter. Wie sonst sollen neue Ideen entstehen? Durchs Schmoren im eigenen Firmensaft.
Was Twitter betrifft, werde ich demnächst nochmal was drüber schreiben. Kurz gesagt: Twitter ist – wie auch ein Social Network – das, was man daraus macht. Würde heute das Telefon erfunden, würde sich mancher wohl auch fragen, was er damit anfangen soll.
Die Sache mit den Headhunter bei Xing dagegen ist, mit Verlaub, lächerlich. Wenn ich als Arbeitgeber mir Sorgen mache, dass meine Leute mir von der Stange gehen, weil sie bei Xing sind, dann muss ich mich doch wohl eher fragen: Warum bin ich ein so unattraktiver Arbeitgeber, dass ich diese anscheinend ja gewünschten Mitarbeiter nicht halten kann?
Doch all diese Diskussionen sind ein wenig müßig. Denn faktisch drängt da eine neue Generation auf den Markt, die genau dies Kommunikationsformen einfordert – sonst ist sie weg. Das kann sie sich sogar leisten. Denn einerseits bewegt sie sich in einem globalisierten Arbeitsmarkt, andererseits spielt ihnen die Demographie einen Pass in den Lauf. Denn durch die sinkenden Geburtenraten werden junge Top-Leute dringend gesucht. Und sie werden Unternehmensstrukturen verändern wie noch keine Generation vor ihnen.
Thomas Knüwer 2. Februar 2009 um 13:58
@Ponscho: E-Mail ist heute tatsächlich eine Pest. Nur: Sie ist nicht die Pest der jungen Generation. Die benutzt weitaus geeignetere Methoden wie Instant Messenger. E-Mail war nie für die direkte Kommunikation gedacht, für die sie heute weitgehend verwendet wird. Tapscott zitiert in seinem Buch sehr schön einen Teenager zu dem Thema: \“Mit einer E-Mail bedankt man sich bei den Eltern eines Freundes für die Party.\“
Lukas 2. Februar 2009 um 15:20
Ob ich an meinem Arbeitsplatz Facebook nutzen kann, ist mir relativ egal.
Dass ein Arbeitgeber was dagegen hat, dass die Leute Xing nutzen, finde ich verständlich. Andererseits weiß man dann bei den nächsten Stellenstreichungen, wer eh keinen Bock mehr hat und so \“freiwillig\“ gehen kann.
Sebs 2. Februar 2009 um 15:41
Nicht nur das ich die gleichen Möglichkeiten erwarte wie daheim, ich bin auch bereit bis zu einem gewissen Maße die Regeln die aufgestellt werden zu brechen.
Ich kann nichts dafür wenn mein Arbeitgeber den Zugang zum IRC verhindert, dennoch einige Informationen nur hier schnell und fundiert zu bekommen sind. ;).
Schön das es solche Probleme bei meiner aktuellen Arbeitsstelle nicht gibt, dennoch habe ich schon das Elebnis gehabt das ein Verbiegen gewisser Regeln nicht das chlechteste für jenen ist der sie aufgestellt hat.
Dinosaurier an die Wand.
Peter Mock 2. Februar 2009 um 17:26
Kommunikation ist wichtig. Bei einem Job wie der von Thomas Knüwer sogar sehr wichtig. Nur habe ich mich selbst schon dabei erwischt…:-)
Oder sagen wir es so: Man kann einen ganzen Arbeitstag gut damit verbingen zu surfen, xingen, facebooken, twittern und dann heimzugehen mit dem guten Gefühl \“Toll wie war ich heute wieder weit vorn\“. Derweil bleiben die Aufgaben und Projekte der realen Welt….:-)
Manch einer hat da gar keine Zeit mehr für- insofern ist eine gewisse Skepsis bei manchen Firmenchefs nicht ganz unberechtigt. Mag sein das ich von gestern bin aber wenn der Kundentermin nicht gehalten wurde weil der junge Mitarbeiter die Zeit irgendwo worldwideweg verloren hat hat sichs ausgetwittert- dann kommuniziere ich direkt.
Also: Buddha hats wie immer schon vorausgeahnt und empfielt den Weg der Mitte. 🙂
Volker 2. Februar 2009 um 17:49
Die \“nachwachsende\“ Generation fordert die globale Vernetzung? Sonst sind sie \’weg\‘?
Mag sein, ich bin schon 40+ und wahrscheinlich aus Sicht eines 16 jährigen VOS (very old school). Aber was globale Manager anrichten können, haben wir in den letzten Monaten gelernt. Und flexibel und global durch die Land jetten können die \“oberen\“ 10% der arbeitenden Bevölkerung – das wird sich auch in 20 Jahren (meiner bescheidenen Meinung nach) nicht ändern.
Klar, früher war Telefon beschränkt, ich erinnere mich noch daran, dass in meiner ersten Firma man zwischen privat und beruflich bedingten Gesprächen unterscheiden musste und für private Gespräche löhnen durfte. Heute – bei der aktuellen Firma – kein Thema mehr. Also wird sich das Thema \“offenes Netz\“ auch einpendeln. Aber xing, twitter oder Facebook machen \“abhängig\“ (sehe ich an mir) und ich gebe Herrn Mock recht, dass ist in vielen Berufen mit Kundenprojekten gefährlich. Wenn ich den ganzen Tag twittere etc. um dem Firmensaft entgehe, dann hilft es der Firma nicht. Denn einer sollte die Ideen auch umsetzen, denn morgen twittere ich ja schon wieder – noch neuere Ideen … ?!
VG
Volker
Lächerlich 4. Februar 2009 um 15:25
@Lukas kommentiert:
[…]
\“Dass ein Arbeitgeber was dagegen hat, dass die Leute Xing nutzen, finde ich verständlich. Andererseits weiß man dann bei den nächsten Stellenstreichungen, wer eh keinen Bock mehr hat und so \“freiwillig\“ gehen kann.\“
Verständlich?? Was ist daran bitte verständlich? Imho überhaupt nichts! In meiner Firma sind 2/3 der Mitarbeiter bei Xing und sogar die Chefs vernetzen sich mit Kollegen. Ist das jetzt schlimm für den Arbeitgeber? Wer keinen Bock mehr auf seinen Job hat, wird eh irgendwann von alleine kündigen (oder weiter unglücklich leben) und auch ohne Xing einen neuen Job finden. Wie Thomas bereits sagte ist diese Argumentation ja wohl absolut lächerlich. Headhunter gibt\’s schon lange und in der Vor-Xing-Zeit sind sie auch an Arbeitnehmer auf dem telefonischen Weg herangetreten. Wer als Arbeitgeber echt so denkt, sollte sich mal ernsthaft fragen, was seine Mitarbeiter noch bei ihm halten sollte, wenn er sich über so einen Nonsense Gedanken machen muss und stets fürchtet seine Schäflein würden ihm abgeworben.
Lachhaft!
PS: 40+ ist \“super very oldschool\“ 😉
PSS: @Nutzung von Webtools: \“In der Mitte liegt die Kraft\“
Youngster 10. Februar 2009 um 8:52
Zitat stefan niggemeier:
\“Darf ich mal zwei ganz doofe Fragen stellen? Warum ist es gut, bei Facebook zu sein? Und warum ist es für einen Arbeitgeber gut, wenn seine Mitarbeiter bei Facebook sind?\“
@Herr Knüwer: Wie beantworten Sie diese Fragen denn jetzt?
Thomas Knüwer 10. Februar 2009 um 9:15
Immer noch so wie bereits oben.