Deutsche Firmenchefs, auch von kleineren Unternehmen, mögen nicht bloggen. Der eine sagt, er sei zu alt, der nächste will keine Firmengeheimnisse verraten und alle haben ohnehin überhaupt keine Zeit.
Manchmal bin ich sogar geneigt das zu glauben. Und dann entdecke ich wieder ein neues Weblog einer älteren Führungskraft aus Übersee, die anscheinend doch genug Zeit hat und genug Fingerspitzengefühl, um keine Geheimnisse rauszulassen.
Jüngstes Beispiel: Mario Garcia, der wohl berühmteste Zeitungsdesigner der Welt. Einmal bin ich Mario Garcia begegnet. Es war in der Konzeptionsphase unserer Wochenendbeilage „Weekend Journal“ und man muss wissen, dass Garcia der bevorzugte Designer für die Zeitungen im Holtzbrinck-Konzern war.
Es war ein höchst interessantes und unterhaltsames Meeting. Garcia ist jemand, der andere für sich einnehmen kann: schlagfertig, direkt, auf den Punkt. Und gleichzeitig ahnt man: Ihn als Chef zu haben ist vermutlich kein Spaß – der kann richtig an die Decke gehen. Ein Mitarbeiter von Star-Architekt Norman Foster erzählte mir einmal, in der Firmenzentrale wären auf Fosters Stockwerk nur deutsche und indische Mitarbeiter untergebracht, „weil die ihre Schreibtische aufräumen. Norman hasst Unordnung“. So ähnlich stell ich mir das Zittern der Mitarbeiter von Garcia vor ihrem Boss auch vor.
Nun begegnet mir Garcia wieder. Digital. Denn er bloggt unter Garciamedia.com/blog. Und das ist so unterhaltsam und authentisch, dass ich vermute, er tut es selbst und kein Mitarbeiter.
Sogar ein Video gibt es, eine Art Zeitungsdesign-Kurs für Anfänger:
Dieses Blog macht richtig Spaß. Mario Garcia, Richard Edelman, Bill Marriott – Chefs können bloggen, und das durchaus gut und lesenswert. Aber nur wenn sie wollen.
Kommentare
CHR 7. August 2008 um 18:43
Ah, sehr interessant.
Und an Bill Marriots Blog habe ich länger nicht mehr gedacht. Ist nicht meine Baustelle. Dennoch ist Marriots Blog ein klassischer Beleg dafür, wie ein selbsterklärter Technophober dennoch was auf die Beine stellen kann. Ist inhaltlich zwar eindeutig nicht mein Ding, aber für das, was das Blog sein will, sehr ansprechend gemacht.
Jörg Friedrich 7. August 2008 um 20:24
Deutsche Firmenchefs wollen nicht bloggen? Ich tu es doch.
Man könnte auch titeln: Deutsche Handballer wollen nicht bloggen. oder Hausfrauen. Oder Schauspieler.
Dass so weinige deutsche Firmenchefs bloggen liegt doch daran, dass es überhaupt wenige deutsche tun. Und dass so wenige deutsche Firmenchefs sind.
Rainersacht 7. August 2008 um 22:51
Vielleicht liegt\’s daran, dass deutsche Firmenchefs meinen, man müsse nicht jeden Bullshit öffentlich machen. Ich finde ja auch, nur derjenige sollte bloggen, der was zu erzählen hat. Deutsche Firmenchefs was zu erzählen…?
Christoph Wesemann 8. August 2008 um 10:32
@ Rainersacht: Stimmt. Wir sollten froh sein, dass deutsche Firmenchefs etwas noch nicht machen wollen oder können: bloggen nämlich. Sollen sie weiter ihre Reden von einer Horde Referenten schreiben lassen, aber bloß kein Tagebuch oder ähnliches.
Ludwig Kamberlein 8. August 2008 um 11:16
Vielleicht haben hiesige Firmenchefs lediglich ein Gespür dafür, dass der deutsche Bloggerstern langsam untergeht (ohne jemals wirklich aufgegangen zu sein).
Peter Use 8. August 2008 um 18:28
Na, selber entdeckt? Oder hier abgeschrieben?
http://www.wortfeld.de/2008/08/variante-c/
Thomas Knüwer 9. August 2008 um 13:36
Nein per Twitter-Hinweis bekommen. Ich finde den Vorwurf, ich würde nicht verlinken auch ehrlich gesagt ziemlich daneben.
mariana mayer 11. August 2008 um 13:12
Wenn ein Unternehmenschef bloggt, geht er das folgende Risiko ein:
a) Er will Schleichwerbung machen.
b) er präsentiert sich seinen Mitarbeitern und stellt sich bloß, daher kann er nur Nichtsaussagendes bloggen und das macht keinen Sinn
c) er bekommt, egal was er bloggt, Ärger in dem Unternehmen, weil die Mitarbeiter einen Grund suchen sinnlos gegen ihren Chef oder Chefin zu mobben
d) es macht keinen Sinn für ihn, er lauscht lieber und geht damit kein Risiko
e) er lässt sonst wichtigerere Arbeit liegen
f) er geht ein Risiko ein sich beliebt zu machen
g) er oder sie hat Angst Vorbildfunktion zu sein (der Mensch ist manchmal ein Affe und macht alles nach, nur nicht richtig oder wie es sein sollte)
Risiko: es läuft dann in die falsche Richtung, beispielsweise wenn seine Mitarbeiter nicht bloggen können oder wirklich Geschäftsgeheimnisse ausplaudern, was nicht sein sollte
h) sonstige Risiken die sich heutige Chefs oder Chefinnen nicht trauen zu sagen oder sich der Öffentlichkeit verschließen wollen (geheimer Chef- und Chefinnenclub).
Mariana Mayer