Kürzlich zeterte die „Süddeutsche Zeitung“ einmal wieder gegen das Internet. „Die neuen Idiotae“ seien Menschen wie Weblog-Autoren. Das hindert die „SZ“ nicht daran, ganze Artikel auf Falschinformationen von solchen Idiotae aufzubauen. Noch weiß niemand, ob Carla Bruni nun schwanger ist vom verliebten Sarko. Die Spekulationen sind plattestes Boulevard und beruhen auf einer schlichten und nicht vertrauenswürdigen Quelle: einem Weblog, das gehostet wird von der Pariser Gratis-Zeitung „20 Minutes“.
„Wir haben das nicht geschrieben“, beeilt sich der Chef der Zeitung zu korrigieren. Es habe in einem der 3.000 Blogs gestanden, die Leser des Für-Omme-Blatts angelegt haben.
Diese Korrektur ist nötig, denn einige Medien berichten, die Bruni-Schwangerschaftsmeldung stamme von „20 Minutes“. Angefangen hat es wohl bei der italienischen Nachrichtenagentur Ansa, dann wanderte die Meldung zur „Daily Mail“, ins Blog von „Le Dimanche“ und zu „Romandie News“.
Jeder dieser Kollegen hätte mal schauen können, woher die Meldung stammt. Er hätte sich denken können, dass „20 Minutes“ eher kein wirklich glaubhaftes Medium ist. Vielleicht wäre er auf das Weblog gestoßen und hätte sich gefragt, ob ein Leser-Blog auf „20 Minutes“ denn zitierfähig ist. Keiner scheint dies getan zu haben.
Die amerikanische Nachrichtenagentur AP treibt es in Deutschland auch hübsch bunt: Sie nennt als Quelle den Online-Auftritt der Zeitung „L’Est Républicain“. Nur: Die beruft sich ja eben auf Ansa.
Auch eine deutscher Qualitätszeitung ist dabei, diese Falschmeldung ungeprüft zu verbreiten. Es muss ja nicht wahr sein, es muss nur schön sein. Wer das ist? Richtig – die „Süddeutsche Zeitung“.
Eines allerdings unterscheidet die „SZ“ von den anderen Medien. Sie nennt nicht mal ihre Quelle.
Kommentare
weltherrscher 15. Januar 2008 um 19:01
ach mann, mein glaube an die qualität der presse schwindet immer mehr.
was soll man denn jetzt noch glauben?
nils 15. Januar 2008 um 19:27
Tja, dadurch wird aber nicht zwangsläufig die Qualität von Blogs steigen…
Mir persönlich reicht der der letzte Satz: \“Noch ist es ein Gerücht…\“ Gebe aber auch gerne zu, dass ein Journalist und Blogger da einen anderen Anspruch hat als ich.
lupe 15. Januar 2008 um 23:45
Spekulation statt Nachricht? Gibt es überall.
Die Ostsee-Zeitung (OZ) berichtete gestern in großer Aufmachung und BILD-Manier, möglicherweise sei ein Lkw mit Sprengstoff per Schiff auf dem Weg in den Rostocker Hafen.
Heute las ich in der OZ, ein Wichtigtuer habe die Sprengstoffgeschichte erlogen und der Hafen sei sehr sicher. Das ist glatt das Gegenteil von der gestrigen Geschichte.
Was ich davon glaube? Nichts davon.
ths 16. Januar 2008 um 7:50
> möglicherweise sei ein Lkw mit Sprengstoff per Schiff auf dem Weg in den Rostocker Hafen
da les ich doch lieber den Sonntags-Comic-Strip von \“Phantom\“, da geht\’s auch grade um schmutzige Bomben auf Schiffen 😉
Chat Atkins 16. Januar 2008 um 9:08
@ 1: Wir glauben an dich, Weltherrscher!
Jörg Friedrich 16. Januar 2008 um 12:22
@1: Zeitungen bestehen aus vielen Seiten. Die Klatsch-Spalten in SZ und FAZ sind sicher nicht vertrauenswürdiger als die ganze Bild oder diverse Lokalzeitungen. Die jeweilige Seite 1, der Wirtschaftsteil u.a. genießen bei mir wenigstens je ein größeres Vertrauen – und auf die kommt es an.
weltherrscher 16. Januar 2008 um 14:26
@chat
na, das baut doch wenigstens noch etwas auf, in diesem dickicht aus journalisten vs. blogger, blogger vs. presse, presse vs. verstand.
man versteht ja gar nicht mehr, um was es eigentlich noch geht?
dass die presse schon längst kein qualistandard mehr hat ist doch unbestritten, dachte ich zumindest.
fernsehen: ist nur noch grottig: kochsendungen, kochduelle (leider ohne waffen:), richtershows und natürlich alles von rtl, pro7, sat1 und konsorten = unterirdischer müll.
holzmedien: das 95.aufpolieren einer pr-meldung oder abschreiben der \“supernachrichten\“ aus einem ticker, ist kein journalismus, sondern überflüssig = u-müll.
internet: da streiten sich die gemüter munter, obwohl ja, mal ganz unter uns, keiner wirklich eine ahnung hat, wohin es gehen wird bzw. soll. das internet renoviert endlich die alten medien und was machen sie? jammern…tss…= es ist zum heulen. manchmal auch zum lachen. es ist aber vor allem eins: interessant.
glaubt an mich, ich machs auch nicht..:-)
Ugugu 16. Januar 2008 um 14:56
@Weltherrscher
Wenn nicht einmal mehr der Weltherrscher eine Ahnung hat, wohin es mit diesem Holz-Internet-Dingsbums gehen soll, dann beginnen wir hier draussen jetzt doch ein bisschen an Dir zu zweifeln. Obwohl, historisch betrachtet waren Weltherrscher ja schon immer eher Versager 😉
stefano picco 16. Januar 2008 um 18:50
was hat idiotie mit lüge zu tun?
weltherrscher 16. Januar 2008 um 19:37
ja früher waren die weltherrscher so.
heute haben die web2.0, bald 3.0..
und natürlich emails usw…
historisch betrachtet, waren die weltherrscher früher kommunikativ echt am arsch..:-))
Prospero 17. Januar 2008 um 1:25
Na ja, wer komische Artikel übers Internet publiziert, dem passiert halt auch sowas… *gnihihihihihihihi*
Ad Astra
Chat Atkins 17. Januar 2008 um 10:30
@ Jörg Friedrich: Das ist so eine Art \’Theorie der verbliebenen Qualitätsinseln\‘ in deutschen Printmedien, die du vertrittst – oder? \’Wenigstens die Seiten 1 und 3, die kann man immerhin noch lesen – und die Börsenkurse stimmen auch …\‘
Jörg Friedrich 17. Januar 2008 um 11:32
Na, Börsenkurse würd ich trotzdem nicht in der Zeitung lesen, wenn sie mich denn interessierten. Aber ich gestehe, dass ich zum Wirtschafts-, Sport-, Wissenschafts- und selbst zu weiten Teilen des FAZ-Feuilletons Vertrauen habe – eigentlich glaube ich, dass das meiste, was dort an Debatte, Analyse oder Kommentar u.ä. steht, ein ziemlich hohes Niveau hat, höher jedenfalls als das, was wir hier im Netz im Schnitt zur Zeit erreichen.
irmgardartig 17. Januar 2008 um 11:57
noch besser, wenn der geistige Output aus den Gelehrtenbüros von FAZ und SZ auch im Netz nachzulesen sind
Doc Montresor 18. Januar 2008 um 18:12
Tag 1: Dunkle Wolken. Meldung: Tödlicher Sturm bedroht Gemeinde!
Tag 2: Klarer Himmel. Meldung: Gemeinde von tödlichem Sturm verschont!
Zitiert aus der schönen Literaturverfilmung \“The Shipping News\“.