Noch bin ich Mitglied der Journalisten-Gewerkschaft DJV. Aber langsam reicht es. Der Deutsche Journalisten-Verband lässt ja keine Gelegenheit aus, sich als Selbstverwirklichungshort vollbärtiger und überernährter Funktionäre zu präsentieren, deren Zukunftsorientierung sich in der Erwägung manifestiert, auch mal ins Internet zu gehen. Vielleicht lassen sie sich aber auch nur das wichtigste daraus vorlegen.
Doch selbst, wenn den Entscheidern nur ein Ausdruck des „Vice“-Magazins vorgelegt worden ist, so erklärt sich damit noch lange nicht, warum diesem innovativen Produkt mit kanadischen Wurzeln ein Presseausweis verweigert wurde. Das berichtet nämlich Sascha Lobo in Urlaubsvertretung im Weblog von Stefan Niggemeier.
Ach so, für die DJV-Vertreter, das bedeutet der Begriff Weblog. Ach, hätte ich nicht drauf hinweisen müssen? Stimmt ja, der DJV hat ja auch so nen Block. Nennt sich großspurig „Pressefreiheitsblog“. Letztere manifestiert sich im ablaichen von Pressemitteilungen und ZK-artigen Stellungnahmen. Die 40.000 Mitglieder des Verbandes finden diese neue Kommunikationsplattform so toll, dass seit dem 10. März immerhin fünf Kommentare auf die seitdem eingestellten drei Artikel eingelaufen sind.
Was der DJV unter Pressefreiheit versteht, demonstriert er im Fall von „Vice“. Eine Startgrafik auf der Internetseite, bei der Flugzeuge aus den USA den Irak bombardieren, sei mit den „ethischen“ Grundsätzen des DJV nicht vereinbar.
Aha? Dann schauen wir doch mal schnell in diese Grundsätze:
„Der DJV wendet sich auf nationaler und
europäischer Ebene gegen die Medienkonzentration,
wie sie insbesondere durch zunehmende Verflechtungen von Programmveranstaltern,
Zulieferern, Rechteunternehmern und Anbietern publizistischer Dienste zu erkennen ist (cross ownership).“
„Printmedien und Rundfunkprogramme dürfen in ihrer wirtschaftlichen Existenz nicht durch Multimedia-Dienstanbieter gefährdet oder behindert werden.“
Keine Sorge, die großen Printmedien werden nicht behindert – sie stehen sich selbst im Weg. Dafür braucht es keinen DJV, der den Weg freischießt.
Diese Grundsätze lesen sich so rückwärtsgewandt, als seien sie irgendwann entstanden als „Video killed the radio star“ in den Feuilletons diskutiert wurde. Einen Hinweis zu ethischen Grundsätzen finde ich allerdings nicht. Wie weit es damit bestellt ist, beweist die DJV-Seite nur zu gut. Denn wer sich für den Pressekodex interessiert, landet über diese Seite auf einem toten Link. Sprich der „novellierte Pressekodex“, der unter http://www.presserat.de/uploads/media/Novellierter_Kodex.pdf zu finden sein soll – ist auf der DJV-Seite nicht zu bekommen.
Sicherlich aber findet sich auch dort keine Argumentation, um eine im weitesten Sinne der Wahrheit entsprechende (US-Flugzeuge haben den Irak bombardiert, sie machten jedoch, glaube ich, eine Zwischenlandung und flogen nicht direkt durch) Animation als nicht-journalistisch zu brandmarken. Mal abgesehen, vom Rest von „Vice“.
Sicherlich aber deckt es sich mit der journalistischen Ethik des DJV, wenn der Berliner Landesverbandsgeschäftsführer Heinz-Jürgen Bütow, der die Absage an „Vice“ unterschrieb, jahrelang behauptet, der Berliner Presseball, von ihm organisiert, schreibe eine schwarze Null – tatsächlich aber laut „Berliner Morgenpost“ Altschulden von 30.000 Euro aufgelaufen sind.
Nachtrag vom 30.4.: Passend dazu schreibt die „Frankfurter Rundschau“ heute über den Ehrenkodex der „Waz“. Kleiner Fehler ist allerdings drin: Auch das Handelsblatt hat sich vor Jahren einen solchen Kodex gegeben, vor allem in Bezug auf Geldanlage und Berichterstattung.
Kommentare
Jochen Hoff 29. April 2007 um 14:17
Witzigerweise hat der DJV sich mit der Verweigerung des Presseausweises doch einen Gefallen getan. Nun ist zumindest sicher, das die Webblogger mit journalistischen Ambitionen gar nicht erst nachfragen.
Ich kann mich noch gut erinnern, das ich vor Jahrzehnten für ein Anzeigenblättchen auch keinen Presseausweis bekam. Dafür druckten die örtlichen Großen dann ständig unsere Artikel ohne Nennung der Quelle nach. Aber es ist der Bevölkerung der Kleinstadt durchaus aufgefallen und wir hatten die dicken Werbekunden.
Lasst sie mit ihrem Amt protzen. Das sitzt sich ganz von alleine aus.
Chat Atkins 29. April 2007 um 14:54
Wer stolz auf seinem Maulwurfshaufen steht, gewinnt noch keine Perspektive.
DonDahlmann 29. April 2007 um 16:04
Weiteres Problem: Alle anderen Vereine, die Presseausweise ausgeben dürfen, sind genauso verschnarcht.
weltherrscher 29. April 2007 um 16:11
der blogerausweis ist noch frei von solchen dingen..:-))
und der bloggerkodex, gerade jetzt von den berühmtheiten \“auch neu\“ erfunden, ist um längen besser, als es der pressekodex jemals war.
greift zu!
🙂
Konstantin Klein 29. April 2007 um 16:14
Möchte an dieser Stelle darauf hingewiesen haben, dass ich zwar überernährt (schönes Wort) und vollbärtig bin, den DJV jedoch schon vor zwei Jahren unter Protest verlassen habe. Das einzige, was sich dadurch in meinem Leben wirklich geändert hat, ist mein Kontostand: keine Mitgliedsgebühren mehr, die abgebucht werden.
Und zum Thema Presseausweis: Seit bald einem Vierteljahrhundert bin ich hauptberuflich (und nicht ganz erfolglos) Journalist. In dieser Zeit habe ich nicht einmal einen Presseausweis des DJV besessen – und ich habe auch nie einen gebraucht. Die Dinger werden gewaltig überschätzt (ausser bei denen, die immer noch meinen, dass man damit billiger ins Kino kommt).
Will2 30. April 2007 um 17:42
dummes Zeug mit Konken. Kenne ihn noch vom Deutschlandfunk.stadl ist eine einzige Lüge
goofy 30. April 2007 um 22:36
Ich habe heute noch nicht ausreichend geklugscheißert.
\“(US-Flugzeuge haben den Irak bombardiert, sie machten jedoch, glaube ich, eine Zwischenlandung und flogen nicht direkt durch)\“
Doch doch. Gab es auch. Die B-2 Spirit startete auf der Whiteman AFB in Missouri, flog zum Irak, schmiss den Krempel hin und machte sich auf den Heimweg. Klappt mittels Luftbetankung.