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Vielleicht hat Yesha Sivan recht. Die Digital Lifestyle Days (DLD) aus dem Hause Burda, die von Sonntag bis gestern liefen, hatten eine geheime Agenda. In den vergangenen zwei Tagen habe ich mich doch ein wenig geärgert. Darüber, dass ich kein Handy habe, dass bessere Filme dreht. Dann hätte ich die wunderschöne Film-Zusammenfassung der DLD aus dem Hause Ix (ich verneige mich vor dieser Regieleistung – großes Kino)


Link: sevenload.com

noch mit den zahlreichen persönlichen Skurilitäten bereichern können.

„Ist fast wie 99“, meinten viele, die man in München traf. Aber doch war es irgendwie anders. Es war 99 2.0, sozusagen. 99 mit Ironie. Etwa wenn der bemerkenswert wohl genährte Peter Kabel durch die Gänge wandelte und irgendjemand garantiert flüsterte: „Ist das der Kabel?“ Oder Marc Samwer einen Gründer anpries mit „Das zweitbeste Startup von Köln nach Sevenload“. Und hätte Sevenload-Gründer Ibrahim Evsan nicht gerade daneben gestanden, wäre daraus wohl das „beste Startup von Köln“ geworden.

99 hätte man darüber innerlich nicht so sehr geschmunzelt, heute wirkt das alles wie eine Parodie – auch wenn es leider keine ist. Das soll nicht heiße, das alles blasig und übertrieben war. Einige der Diskussionen waren gut. Leider zu wenige. Zum Beispiel das auch von Herrn Ix hervor gehobene Panel „Where are the editors“ zur künftigen Rolle von Redaktionen. Vor allem die großartige Arianna Huffington allein war schon die Reise nach München wert. Oder die sehr intelligente Konversation zwischen „Fortune“-Mann David Kirkpatrick und Zukunftsforscher John Naisbitt.

Grauenvoll dagegen eine Diskussion zum Thema Unternehmensfinanzierung, unter anderem mit Peer Steinbrück. „Focus“-Vize Uli Baur moderierte das Thema so dermaßen in den Orkus, dass die Diskussion auch am Weltspartag in der Volksbank Kattenvenne hätte abgehalten werden können. Ebenfalls enttäuschend: die Runde „The billion Dollar bubble?“ – denn über eine Bubble mochte niemand reden. Gefragt wurde danach erst, als auch das Publikum sich zur Wort melden konnte.

Einen guten Gastgeber aber zeichnet es aus, in meinen Augen, wenn ihm das Wohl der Gäste vor das Eigene geht. Leider scheint das Haus Burda anders zu denken. Die so genannten Ad-hoc-Sessions mit Beweihräucherungen aus dem eigenen Hause waren unerträglich, ebenso Nonsense-Interview wie das der „Freundin“-Chefredakteurin mit Schauspielerin Bettina Zimmermann über den Film „2030“. Eigentlich ein interessantes Thema – nur warum die Hauptdarstellerin und nicht Regisseur oder Autor? Ach ja, war ja die „Freundin“.

In der Schlange zum Kaffee lernte ich dann gestern Yesha Sivan kennen, den Chef eines Institutes am Tel Aviv College of Engineering. „Und wie finden Sie es hier so?“, ist ein international üblicher Konversationseisbrecher auf Konferenzen. Er hatte auch noch die Antwort parat, die ganz wunderbar die DLD beschreiben: „Ich glaube, es gibt hier eine geheime Agenda. Man will mit deutschen Vorurteilen brechen. Deutsche, heißt es doch immer, seien pünktlich, bestens organisiert, immer vorbereitet und führten tiefschürfende Diskussionen. Ich finde, es gelingt hier ganz gut, mit diesen Vorurteilen aufzuräumen.“ Und dabei hat er auch noch gelächelt.

Ganz so schlimm war es zwar nicht. Doch waren schon am Montag Mittag sämtliche Programme vergriffen und nirgendwo hingen welche aus oder wurden auf die allgegenwärtigen Monitore geworfen. Wer wo wann sprach – egal. Schließlich war die körperliche Leistungsgrenze schnell erreicht: Die Kapazitäten des HVB-Forums waren chronisch zu gering, wer nicht weit vor dem ersten Panel saß, der bekam so schnell keinen Platz mehr und stand. Noch schlimmer: Er musste die Zwischenmoderationen einer mager ernährten Dame, deren Name ich nirgends finden kann, ertragen, die mantraartig die Sponsorennamen verlas und zum Platznehmen aufforderte. Sollte es bei Burda irgendwann nicht mehr klappen mit der Karriere, dürfte ihr eine große Zukunft in der Kaffeefahrtenbranche oder beim Gäste-Shanghaien vor asiatischen Restaurants zweifelhaften Ranges bevorstehen.

So trafen sich dann alle im Kontakthof (copyright by Nico Lumma). „Wie eine Klassenfahrt – nur mit Oberstufe“, sagte einer der Teilnehmer mit Blick auf die steif wirkenden Vertreter gehobener Etagen der klassischen Medien. Da aber war es dann fast uneingeschränkt nett, das Essen gut, die Getränke abwechslungsreich und die Visitenkarten flogen tief. Übrigens auch das ein Unterschied zu 99: Kontaktdaten werden nicht mehr durch PDA-Synchronisierung weitergegeben – Papier stirbt eben nicht aus.

Und so waren es zwei sehr nette Tage, der Menschen wegen. Ein Event zum:


Link: sevenload.com

eben.

Und hier noch ein paar Zitate:

„Bob Woodward is supposed to be the gold standard of journalism. He turned out to be the dumb blonde“
(Arianna Huffington über Woodwards Bush-Bücher)

„The real editor should not moderate between truth and falsehood, but stand on the side of truth.“
(Arianna Huffington)

„Mainstream media suffers from attention deficit disorder, the blogosphere suffers from obsessive compulsive disorder – together we could be crazily effective.“
(Arianne Huffington)

„Charging for content ist not a good idea. Except, it’s porn, especially weired porn.“
(Arianna Huffington)

„My personal exit strategy basically is death.“
(Craig Newmark)

„Global warming has become a religion.“
(John Naisbitt)

„The hype that china tomorrow will overtake the US, is exactly that.“
(John Naisbitt)

„It’s running the government of the United States. And if you allow to run it, you give it more importance than it has“
(John Naisbitt über Terrorismus)

Frage: „Kennen Sie Myspace?“Antwort Peer Steinbrück: „Da müsste ich lügen.“


Kommentare


linus 24. Januar 2007 um 16:05

\“Kennen Sie Myspace?\“Antwort Peer Steinbrück: \“Da müsste ich lügen.\“

und warum tut er es diesmal nicht? …ok. der war fies, aber ich kann nicht anders.

Antworten

Horst Kahnke 24. Januar 2007 um 16:26

Was sagt der Herr ix in dem zweiten Filmchen?

Antworten

Don Alphonso 24. Januar 2007 um 16:59

Bis zu 0:29 habe ich das Video ertragen, dann habe ich den Ton weggemacht.

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Thomas Knüwer 24. Januar 2007 um 18:02

@Horst Kahnke: \“Networken\“ – leider ist mein Handy eben nicht so gut in Sachen Film.

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marcel weiss 24. Januar 2007 um 18:44

Tolle Zitate. Besonders toll, klar, Craig Newmarks exit strategy.

Antworten

Cator 25. Januar 2007 um 17:36

\“Bob Woodward is supposed to be the gold standard of journalism. He turned out to be the dump blonde\“
(Arianna Huffington über Woodwards Bush-Bücher)
Muss das nicht eigentlich \“dumb blonde\“ heißen? Oder vielleicht noch \“dump\’d\“…

\“Global warming has becoma a religion.\“
(John Naisbitt)
Klingt nach jemandem, der den Ernst der Lage nicht begriffen hat oder der nicht zwischen Boten und Inhalten dieser Nachricht unterscheidet. Wirkt beides nicht vorteilhaft auf mich, hätte gerne den Kontext dazu.

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Thomas Knüwer 25. Januar 2007 um 17:41

Ja, es muss tatsächlich dumb und nicht dump heißen. Dabei drehte es sich um die ersten beiden von drei Büchern Woodwards über die Bush-Regierung. In diesen kam George W. sehr gut weg. Im dritten Buch klingt das alles anders.

Naisbitt erkennt durchaus die Gefahren der Erderwärmung. Er sieht es aber als Problem an, dass Politiker, Aktivisten und Bürger sich als so glühende Verfechter präsentieren, dass die anderen nicht überzeugt werden, sonder abgestoßen. Als Beispiel nannte er den Titel von Al Gores Film: \“An inconvenient truth\“ – also Wahrheit. Nicht Vermutung, oder Wahrscheinlichkeit – sonder Wahrheit.

Diese Äußerung fand ich sehr spannend, weil ich ähnlich denke. Viele Kämpfer gegen Umweltzerstörungen sind gedanklich so verbaut, dass sie keine andere Meinung mehr zulassen. Das ist der Sache leider nicht zuträglich.

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Cator 29. Januar 2007 um 5:04

Gut, es stimmt insofern, als dass jede Bewegung ihre Fanatiker hat.
\“Inconvenient truth\“ ist schon ein harter Name, aber ich überlege, für wen der Film gemacht wurde: Das Problem ist doch immer, dass man nicht weiss, ob das Gegenüber nur unwissend ist oder gleich mit Platitüden oder verqueren Argumentationen das Thema abkanzelt. In Bezug auf Öffentlichkeitsarbeit muss natürlich auch gegen Fanatiker der anderen Seite gegengehalten werden und (ohne den Film gesehen zu haben) der Titel scheint eher auf letztere und andere harte Fälle abzuzielen. In diesem Fall hat der Ton der Nachricht Naisbitt als falschem Empfänger zu Recht sauer aufgestoßen, aber diese Fehladressierungen sind bei einem derart großen Diskurs nicht zu vermeiden, sondern werden mit der Größe immer wahrscheinlicher. Eine Lösung dieses Problems hätte das Zeug dazu Weltfrieden zu schaffen.

\“Viele Kämpfer gegen Umweltzerstörungen sind gedanklich so verbaut, dass sie keine andere Meinung mehr zulassen.\“
Welche andere zum Beispiel? Ich kenne nur wenige Gründe die mich dazu bringen würden, meine Lebensgrundlage willentlich zu zerstören, den lächerlichsten kann ich hier in Europa entdecken: Bequemlichkeit.

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Markus Pirchner 29. Januar 2007 um 14:42

Naisbitt war in meinen Augen eine einzige Enttäuschung. Sein \“Sager\“ zum Global Warming mag ja g\’schmackig klingen, bezeichnet aber äußerstenfalls nur ein schmales Segment. Klarerweise gibt es Fundis, pro und contra, aber in diesen Lagern werden die Erkenntnisse ja nicht erarbeitet, sondern lediglich gepredigt.
Die Äußerung zu China vs. USA basiert auf genau jenem Denken, das er eingangs kritisiert hatte, nämlich auf straight-linear extrapolation. Aber selbst seine Kritik an straight-linear extrapolation ist ein urlater Hut: Früher hat man das Gegenmittel \“Dialektik\“ genannt. Abgesehen davon hat, bei ansonsten unveränderten Voraussetzungen, lineare Extrapolation durchaus Vorhersagekraft.
Sein bester Spruch war noch: \“Don\’t get so far ahead, that people think you\’re not in it.\“ (In diese Gefahr ist er in München jedenfalls nicht gekommen.)

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