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Der „Stern“ hat sein Layout überarbeitet. Wieder mal. Rausgekommen ist etwas, was ich gestern mit einem lauten Ausruf kommentierte: „Spinnen die?“ Dem „Stern“ stehe ich als Leser eigentlich nahe. Immer mehr in den vergangenen zwölf Monaten nicht mehr dem Blatt „Stern“, sondern der Idee, wie der „Stern“ sein könnte, würde er sich seiner Wurzeln erinnern. Platt ist er geworden, langweilig noch dazu. In einer 80/20-Gesellschaft will er den 80 Prozent gefallen. Damit das klappt, siedelt er seine Themen in der Mitte der 80 an – und das bedeutet unterhalb der Interessen der Durchschnittsbürger.

Optisch wirkte er zuletzt fahrig. Die großen Geschichten waren eindrucksvoll, die kleineren soffen ab. Und wer sich richtig gruseln wollte, betrachtete das neue Bild von Hans-Ulrich Jörges. Dazu wirkten die blattmittigen, anzeigengetriebenen Sonderthemen wie ein Fremdkörper.

Nun sollte alles schöner werden. Mit Schriften aus, ich zitiere mal den Herrn Ix, boah – Amerika. Der Anspruch:

„Im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Mediennutzer werden für uns in Zukunft drei Schlagworte entscheidend sein: Klarheit, Seriosität und Glaubwürdigkeit», sagte der Art-Direktor des «Stern», Tom Jacobi. Mit der Überarbeitung des Layouts werde der «Stern» diesem Anspruch gerecht.“

Daraus wurde – ein Chaos. Munter wechseln sich die Schriften ab, hier wird mal was gelb unterstrichen, dort gibt es Art-Deco-Anleihen. Längere Artikel verkommen zu Bleiwüsten ohne jene kühle Leichtigkeit von „Brand Eins“, die man offenkundig gerne erreicht hätte. Das Gegenteil ist der Fall: Gestaucht scheinen längere Texte, nur schwer lesbar für meine kurzsichtigen Augen. Der neue „Stern“ wirkt wie ein mittelmäßiges Gratis-Blatt.

Die Inhalte sind ein trauriges Dokument der Ideenlosigkeit. Keine einzige Überraschung ist dabei, viele Kann-Themen, wenig was man gelesen haben muss. Von einer Relaunch-Ausgabe erwartet man doch eher noch mehr Esprit, als von späteren. Geht es aber von dieser Basis aus bergab, was der normale Gang jedes Blattes ist, dann wird es zappenduster.

Die 24-teilige Wein-Serie, die mit der jüngsten Ausgabe beginnt, schießt da journalistisch den Vogel ab. Die Bildunterzeilen wirken wie aus einer Schülerzeitung – hier ein paar Beispiel:

„Winzer sind keine Spacken, sondern gebildete Handwerker, die komplexe Vorgänge zu kontrollieren wissen.“

„Besonders wo sie von Hand geschieht, ist die Lese ein Knochenjob, den die ganze Bevölkerung leistet.“

„Alte Pressen wie diese sind nur selten zu sehen. Zunächst wird der Saft aus den Beeren gedrückt.“
Beliebtes Volontärsspiel: Verbinde zwei Sätze, die keinen Zusammenhang haben.

„Argentinien: Am Osthang der Anden reift Malbec in bester Qualität, bislang ist das Land ein Binnenmarkt.“
Ist das nicht jedes Land?

„Kalifornien: Industrie im Central Valley, feines Handwerk in Sonoma, in Kalifornien wächst Glanz und Elend.“
Ist für den „Stern“ also Industrie = Glanz und Handwerk = Elend? Das wird die Nicht-Spacken aber erzürnen.

„Südafrika: Seit Ende der Apartheid explosionsartig optimierte Weine.“
Bumm.


Kommentare


Thomas Mrazek 5. Januar 2007 um 17:37

Diese Kritik macht Lust darauf, das Heft nun gerade doch mal wieder zu kaufen. (-;

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Marcel 5. Januar 2007 um 18:26

ich haette nicht gedacht, dass (mein persoenliches, meinen unterschichtstatus abbildendes) lieblingswort \“Spackpen\“ mal in einer Zeitschrift wie dem Stern genutzt wird…

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Philipp Wagener 5. Januar 2007 um 20:41

Großartig!
Ich kenne den Stern der 80er nicht, dafür bin ich zu jung. Aber seitdem ich mich für solche Zeitschrfiten interessiere (ca. 7 Jahre), war der Stern schon immer ein Boulevardblatt, welches versucht hat, sie aüßerlich dem Serösen zu nähern!

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7an 5. Januar 2007 um 21:19

Spacken?? Mein Gott, ich will weg.

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r0ssi 12. Januar 2007 um 9:53

das steht nicht wirklich spacken, oder?

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nilz 12. Januar 2007 um 13:32

ich kann auch nicht glauben das da \“spacken\“ steht…

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