Eine Reihe Politiker betätigt sich inzwischen als PR-Menschen. Vielleicht ist es diese politische Vorbildung, die den ehemaligen SPD-Staatssekretär Siegmar Mosdorf befleißigt, sich einer PR-Praxis zu bedienen, die hart am Rande dessen liegt, was eine Branche dulden sollte, die auch nur einen Hauch Ehrgefühl verspürt. Und leider spielt der „Rheinische Merkur“ auch noch mit. Sportwetten! Schon wieder Sportwetten! Ja, ja, ja, ich kanns langsam auch nicht mehr hören.
Und doch muss hier wieder einmal die Rede sein vom ekligsten Schlammschlachtfeld, auf dem sich Deutschlands Berufskommunikatoren derzeit tummeln.
Vergangene Woche habe ich mich im Gedruckten mit den Praktiken von staatlichen Lottogesellschaften und privaten Wettanbietern beschäftigt. Leider eine Woche zu früh. Heute würde das Stück noch einmal ganz anders ausfallen.
Das liegt zum einen daran, dass Oddset heute einen netten, irreführenden Wahnsinn über OTS verbreiten lässt. OTS, für die Nicht-Medienmenschen unter uns, ist ein Dienst, der Pressemitteilungen verteilt und in vielen Redaktionen direkt neben Nachrichtenagenturen abrufbar ist.
Hier also der Text:
„Bwin gibt Unterlassungserklärung gegenüber ODDSET ab“
Ja, das klingt dramatisch. Weshalb aber nur?
„- Falsche Adressangabe im Impressum auf Unternehmenswebseite
– kein Firmensitz unter der publizierten Adresse
– Keine Zustellung gerichtlicher Verfügungen unter publizierter Adresse möglich
– es droht eine Vertragsstrafe bei Zuwiderhandlung“
Ähm, Moment mal – eine falsche Adresse? Das klingt nach Briefkastenfirma ohne Briefkasten, nach ganz was Düsterem. Lauschen wir weiter:
„Der private Sportwettenanbieter Bwin hat sich durch Abgabe einer Unterlassungserklärung dazu verpflichtet, die unrichtige Adressangabe
auf den Webseiten des Unternehmens zu korrigieren. Wörtlich hat Bwin sich dazu verpflichtet, „es unverzüglich zu unterlassen, mit falschen
Angaben im Impressum der Internetseite www.bwin.de zu werben“. Bwin droht bei Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe von bis zu 10.000 Euro.
Aufgrund der falschen Adressangaben konnten in der Vergangenheit u. a. gerichtliche Verfügungen gegen das Unternehmen nicht zugestellt werden.“
Tja, es ist so schwer, heute gutes Personal zu bekommen. Denn so schwer war es auch nicht, Bwin zu finden. Im Impressum stand früher nämlich die Adresse Breitscheid-Straße 20. Das ist in der Tat falsch. Es muss Rudolf-Breitscheid-Straße 20 heißen.
Nun befindet sich jene Rudolf-Breitscheid-Straße nicht in Berlin oder Hamburg, sondern in Neugersdorf, einem Ort, der Name lässt es ahnen, dessen Straßenzahl sich im überschaubaren Rahmen bewegt.
Aus einem solchen Dörfchen stamme ich auch. Meine Vergangenheit liegt in Senden, Westfalen (nicht verwechseln mit Senden an der Iller), in einer Straße namens Anton-Aulke-Ring.
Als schreibfauler Schüler hab ich dies in der kurzen Zeit, da ich mich in Brieffreundschaften versuchte, als Aulke-Ring abgekürzt. Was die Zahl meiner Postzusendungen nicht senkte.
Das wirft eine dramatische Frage auf: Sind ostdeutsche Postzusteller dümmer? Droht uns eine Baut-die-Mauer-wieder-auf-bevor-die-Ossi-Boten-unsere-Brief-verschlampen-Debatte? Werden Menschen durch die Straßen ziehen und rufen „Wir sind die Adressaten“?
Nein, solche Scharmützel sind der ganz normale Wahnsinn in der derzeit durchgeknalltesten Branche Deutschlands. Deshalb auch, muss sich Oddset räuspern in der Skandalaffaire „Vergessener Rudolf“:
„ODDSET begrüßt die Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung von Bwin.
„Dass Bwin nicht einmal die eigene Anschrift richtig angibt, wirft ein sehr bezeichnendes Licht auf dieses Unternehmen. Jeder sport- und
wettbegeisterte Kunde muss selbst entscheiden, ob er seine Einsätze einem solchen Unternehmen anvertraut. Unser Sportwettenangebot von
ODDSET unterliegt wie alle Produkte von Lotto einer strengen staatlichen Aufsicht. Da muss niemand Sorge haben, dass die Post
nicht ankommt oder der Unternehmenssitz einfach verlegt wird, ohne dass dies gemeldet oder publiziert wird“, sagte Erwin Horak,
Präsident der Bayerischen Staatlichen Lotterieverwaltung und für den Deutschen Lotto-Toto-Block verantwortlich für den Sportwettenanbieter
ODDSET.“
Damit aber beenden wir den lustigen Teil des Tages und kommen zu einer ernsteren Sache. Vor einiger Zeit lobte ich die PR-Agentur CNC noch für die schnelle Reaktion eines Mitarbeiters, als ein Interview gewaltig den Bach runterging.
Irgendwie war ja klar, dass wenn man eine große PR-Agentur im Herzen der Stadt lobt, sie irgendwann zur Kleinen PR-Agentur mutiert.
Berlin-Chef von CNC ist Siegmar Mosdorf, einst parlamentarischer Staatssekretär in Diensten der SPD. Vielleicht hat er in jener Zeit der Politik das Gefühl dafür verloren, was die Grenze zum Unehrenhaften überschreitet.
Mosdorf hat im Mai (leider habe ich das erst jetzt bekommen) im „Rheinischen Merkur“ einen Kommentar schreiben dürfen.
Oder besser: Er schreibt dort häufiger. In diesem Kommentar nun fordert er eindeutig ein staatliches Wettmonopol. Das ist sein gutes Recht.
Nur, und Sie, lieber Leser, werden sich schon denken können, was jetzt kommt: CNC ist die Kommunikationsberatung von Oddset.
Ja, das freut den Kunden: „Und dann bring ich Ihre Meinung auch noch in ne überregionale Zeitung, ich hab da gute Kontakte.“ Bisher kannte man diese schmierige Lesermanipulation nur von winzigen PR-Buden halbseidenen Charakters. Nun reiht sich CNC dort ein.
Bemerkenswert auch: Am 6. Juni erschien im „Rheinischen Merkur“ eine „Sonderveröffentlichung“ zum Thema Sportwetten. Solche Sonderveröffentlichungen heißen gemeinhin auch „Beilagen“ und es wird von Haus zu Haus unterschiedlich gehandhabt, in wie weit dort werbende Kunden Inhalte beeinflussen dürfen.
Eine solche Beilage über Sportwetten erschien auch am 7. Juli in der „Financial Times Deutschland“. Angestoßen worden war sie von privaten Wettanbietern. Der Beilage war dies, abgesehen von den Anzeigen, nicht anzumerken. Ich behaupte, die Anzeigenkunden hatten keinen großen Einfluss auf die Inhalte.
Ganz anders beim „Rheinischen Merkur“. Die Beilage hätte so auch als Werbezusendug aus dem Hause Oddset durchgehen können. Ja, ein Kölner Anwalt darf sogar behaupten, dass die „rechtliche Lage“ in Sachen Sportwetten „eindeutig“ sei. Juristen bezeichnen so etwas gemeinhin als „Einzelmeinung“.
Warum die Texte im „Merkur“ so eindeutig ausfallen, wird beim zweiten Hinsehen klar. Denn es gibt dort keine Anzeige. Die Folgerung – und ich würde mich freuen, wenn jemand vom „Merkur“ mir sagt, dass dieser Verdacht unbegründet ist: Es ist möglich Inhalte von Sonderveröffentlichungen im „Rheinischen Merkur“ zu kaufen.
Die innige Beziehung des Herrn Mosdorf zum „Merkur“ macht auch seine weiteren Kommentare beachtenswert. Jüngst zum Beispiel hat er ein „Energiekonzept“ für Deutschland gefordert (leider sind die Artikel nur gegen Bezahlung zu bekommen). CNC-Partner Bernard Meising rühmt sich, bereits RWE, EON und RAG beraten zu haben – ist einer der Konzerne jetzt CNC-Kunde?
Vor langer, langer Zeit, in der Anfangsphase dieses Weblogs kam die Rede einmal auf einen Standeskodex für PR-Leute (leider finde ich den Beitrag nicht mehr, peinlich, aber wahr). Es wird Zeit, sich noch einmal damit zu beschäftigen.
Die Homepage von CNC kennt keinen solchen Kodex. Dort heißt es lapidar:
„Die Beratungsphilosophie von CNC baut auf vier Prinzipien:
Vorstands-Perspektive – weil wir selbst diese Erfahrung mitbringen
Zuverlässigkeit – Strategie und Praxis passen lückenlos zueinander
Ergebnisorientiert – Wir wissen was geht und was nicht funktioniert
Integrierter Ansatz – Erfolgreiche Kommunikation bezieht alle Rahmenfaktoren – Unternehmensziele, Stakeholder-Interessen, Medien-Mechanismen, Politik – mit ein.“
Mit dieser Kodexlosigkeit ist CNC nicht allein. Kürzlich stieß ich auf das Weblog der australischen PR-Agentur Jackson Wells Morris. Dort zieht ein gewisser Trevor Cook über die Konkurrenz her: Die nämlich veröffentliche keinen Ehrenkodex auf ihren Homepages.
Nun ist so ein Ehrenversprechen ja immer ein Feigenblatt. Doch wenigstens sollte man sich ein solches umhängen. Denn es macht unterbewusst das Verstoßen gegen selbstgegebene Regeln schwerer. Wirklich nicht unmöglich, aber, doch, ja, schwerer. Es wird Zeit, dass die deutsche PR-Branche sich dieser Diskussion stellt.
Übrigens: Mit einzubeziehen, dass einem solch schmierige Kommunikation irgendwann um die Ex-Politiker-Ohren gehauen wird, dazu hat die Vorstandsperspektive bei CNC dann nicht gereicht. Dabei hätte Mosdorf es doch wissen können, das irgendwann jemand drauf kommt, weil Daten nicht verloren gehen und immer wieder neu kombiniert werden.
Er kennt sich doch gut aus, im Internet. Hat er behauptet. Im Jahr 2000 verfasste er einen Artikel mit dem Titel:
„Das globale Dorf. Transparenz und Verantwortung im Informationszeitalter“
Verantwortung im Informationszeitalter. Ein spannendes Thema. Wird Zeit, dass sich Herr Mosdorf mal wieder damit beschäftigt. Oder die Branche – und solche Praktiken ihrer Mitglieder öffentlich anprangert, ähnlich wie es der Presserat tut.
Bis dahin aber halte ich als Journalist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit CNC für nicht mehr möglich.
Nachtrag vom 28.8.: Und würde ich mit dem „Rheinischen Merkur“ zusammenarbeiten, würde der letzte Absatz auch für ihn gelten. Nachdem ich gerade das Finblog gelesen habe, frage ich mich, welchen journalistischen und moralischen Grundsätzen sich das Blatt verpflichtet sieht.
Na dann ist ja gut.
Kommentare
Jens 26. August 2006 um 9:03
das nenn ich mal eine richtig schöne recherche, die einfach schon deshalb unterhaltsam zu lesen ist, sogar wenn man wie ich dem thema sportwetten grad mal gar nichts abgewinnen kann.
Falk Lüke 26. August 2006 um 10:12
Thomas, warum hast Du eigentlich nicht einfach beim RM angerufen und gefragt, ob man bei Ihnen Sonderveröffentlichungen kaufen kann?
Das hättest Du a) erst als PR-Agenturmitarbeiter tun können (janz in-wes-tiga-tief, wie man im Rheinland so sachen tut) und dann nochmal b) als Journalist. Hätte aber vielleicht keine so schöne und mehr oder minder runde Story abgegeben…
Thomas Knüwer 26. August 2006 um 14:06
@Christian: Mosdorf selbst hätte, würde er eine Art von Verantwortungsgefühl und Berufsehre kennen, sich ein anderes Thema wählen müssen. Es gibt so viele Themen auf der Welt, warum ausgerechnet Sportwetten? Weil CNC einen Kunden dort hat. Hätte Mosdorf sich für eine Liberalisierung aussprechen dürfen? Nein, konnte er natürlich nicht.
Matthias Schrade 28. August 2006 um 9:29
Klasse Recherche, Kompliment!
Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach 28. August 2006 um 10:04
@Christian: Auch wenn auch beim Rheinischen Merkur die Alarmglocken hätten schrillen müssen – es ist ganz klar ein Verstoß gegen elementare Verhaltensregeln, die sich jede PR-Agentur geben muss.
Ich bin beispielsweise angehalten, wann immer ich über ein Unternehmen schreibe (und sei es „nur“ in meinem Blog), das unser Kunde ist, dieses klar und im entsprechenden Artikel deutlich zu machen. Das gilt streng genommen auch, wenn ich über die Branche oder einen Wettbewerber eines Kunden schreibe (was sicher auch immer Auslegungssache ist. In unserem Beispiel: Soll ich jedes Mal, wenn ich etwas über irgendwas mit Comuptern, Musik, Film, Internet, Suche etc. schreibe, dazu sagen, dass unsere Agentur u.a. Microsoft als Kunden hat? Aber Sie sehen – darüber muss man sich schon Gedanken machen).
Ich finde es sehr schräg, einen Namensartikel (!) in einen Topf zu werfen mit einer grundsätzlich erhofften positiven Berichterstattung.
Insofern: Thomas Knüwer hat völlig Recht mit seiner Empörung und ich fühle mich fremdgeschämt.
Jonathan Lütticken 28. August 2006 um 15:46
Auc interessant ist übrigens die Berichterstattung der Süddeutschen zum Thema Sportwetten. und wenn man gerade dabei ist sich mit dieser zu beschäftigen, werfe man doch mal bitte einen Blick in den Sportteil und üerprüfe, welcher staatl. Wettanbieter dort Anzeigen schaltet…
Weltenweiser 29. August 2006 um 16:16
Das hat sich der Merkur aber nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Gibt es mittlerweile eine Stellungnahme?
auch-einer 30. August 2006 um 11:14
ist der ruf erst ruiniert
lebt sichs völlig ungeniert