Vielleicht liegt’s am Temperaturabfall: Heute kann mir anscheinend niemand was recht machen. Das ist zum Beispiel AOL als der nächste Große, der Ideen von Kleinen schamlos kopiert. Nicht schön. Aber selbst wenn ein Kleiner was Neues probiert, kann man das im Fall von Riya nicht bejubeln. Netscape. Ach, Netscape. Ein Name aus längst im Gedächtnis verschwommenen Zeiten. Der erste Browser, die ersten Schritte im Internet…
Inzwischen gehört Netscape zu AOL, das irgendwie auch nicht weiß, was es mit der Marke machen soll. Weil der Browser inzwischen längst kein Thema ist, pfropft man den Namen einfach das ein Web-2.0-Projekt. Obwohl doch AOL eigentlich so wahnsinnig Web 2.0 werden will, wie das Top-Management seit Monaten verkündet.
Netscape – natürlich mit dem modischen Anhang Beta, dem Arschgeweih des Internet – verwandelt sich nun also in eine Kopie von Digg. Digg, für die, die es noch nicht kennen, ist eine Nachrichtenseite, bei der Nutzer Hinweise auf Texte im Netz schreiben. Die Positionierung erfolgt dann ebenfalls nach Klicks, vermeintlich also nach den Prioritäten der Leser.
Blogger und PR-Berater Steve Rubel jubelt schon mal: „The new Netscape.com is a winner. It brings together the best of the old world and the new to create a new media model for the 21st century.“
Doch kann solch ein Dienst innerhalb eines Konzerns Erfolg haben? Prompt testet ein Nutzer die Grenzen aus und verweist auf einen Blog-Eintrag über den verzweifelten Versuch, ein AOL-Konto zu kündigen.
Eilig springt der Moderator des Themenbereichs bei und fragt bei der PR-Abteilung nach. Und dann gibt es noch ein Instant Messenger-Interview mit dem Blogger, das klingt wie ein Polizei-Psychologe, der versucht, einen Selbstmordwilligen vom Balkon zu reden.
Und natürlich muss auch gleich betont werden, dass Netscape natürlich nicht Digg kopiere… Ob den Herren das nicht selbst peinlich ist, was sie veranstalten?
Wieder versucht ein Konzern eine subversive Internet-Idee zu kopieren und stößt damit an seine eigenen Grenzen. Denn natürlich muss ein Konzern Inhalte, die über seine Seiten laufen stärker kontrollieren als ein unabhängiges Angebot oder ein Startup.
Ob allerdings Startups so überhaupt keine gesellschaftliche Verantwortung haben, darf angesichts von Riya diskutiert werden. Aus der Bilddatenbank mit Fotoerkennung wird nun ganz offiziell eine Fotosuchmaschine mit automatischer Motiverkennung – der Traum für Stalker.
Dies ist wirklich ein Tag für Grummel-Laune.
Kommentare
Siegfried 17. Juni 2006 um 14:30
Netscape hat nicht den Anspruch auf den ersten Browser.
Aber das Posting liest sich dadurch natürlich viel besser.
Renato 19. Juni 2006 um 8:15
Hm… Ob Netscape wirklich bewusst kopiert hat? Ehrlich gesagt ist der Sprung eines Weblogs zu einem Digg-Portal doch sehr klein. Ich arbeite zur Zeit auch einem Projekt das ein Portal in ein, nennen wir es einmal Extended-Weblog ändert. Mal abgesehen vom Voting ist es ebenfalls identisch zu Digg und Netscape. Ok, lange nicht mit den Ressourcen wie Netscape… 🙂
Matthias 19. Juni 2006 um 9:23
Digg ist eine Kopie von Slashdot, wie auch MeFi und Dutzende andere (komplett unbekannte) solcher Sites die slashdot-Idee kopiert und etwas abgeändert haben.