Skip to main content

Wenn der Vorstand eines Fußballclubs sagt, dass er fest zu seinem Trainer steht, ist das ein sicheres Zeichen auf einen baldigen Wechsel. Und wenn der Besitzer der kleinen Bergpension verspricht, das Wetter werde bestimmt halten, regnet es garantiert. Gesundbeten hilft halt nicht – auch nicht bei Bodo Hombach und Mathias Döpfner. Ich mache mir gerade Sorgen um meinen Job. Weil nämlich zwei der bekanntesten Medienmanager Deutschlands sich genötigt sehen, zu behaupten die Zeitung lebe. Sie werde nicht sterben. Wenn sich aber jemand genötigt sieht, scheinbare Selbstverständlichkeiten herauszustellen, dann sind diese scheinbaren Selbstverständlichkeiten eben nur scheinbar selbstverständlich.

Erst war es Döpfner, der in der „Welt“ das Loblied auf journalistische Qualität sang. Nun ist es Bodo Hombach, einer der Lenker der Ruhrgebietszeitungsmacht „Waz“. Beim Euroforum in Wien erklärt er:

„Die Kaufzeitung überlebt ihre Beerdigungsfeierlichkeiten und wird älter als ihre vermeintlichen technischen Totengräber.“

Seine Argumentation aber zeigt, wo das Problem bei manchem Verlagsmanager ist: das – bitte, dies ist mit Verlaub gemeint, muss aber ausgesprochen werden – Alter.

„Der Kunde, der Nutzer ist ziemlich beharrlich, manchmal dickschädelig…
Er ist ein bisschen bequem, er will servieren lassen, nicht selber nachforschen und an allen möglichen Knöpfen drehen müssen.“

Für Hombach also sind das „alle möglichen Knöpfchen“. Das ist verständlich. Er ist von höherem Alter und da wird, mit Verlaub, manchmal auch ein Mausklick zur physiologischen Hürde. Auch das Überfliegen von Texten auf dem Bildschirm konnte er nicht schon in jungen Jahren lernen. Heute aber wachsen Kinder mit dem Internet auf, mit Spielkonsolen und MP3-Playern. Ihre technische Medienkompetenz bewegt sich in einer anderen Galaxie als die eines grauhaarigen Managers. Das ist verständlich und keine Schande. Aber: Er muss sich das eingestehen – und da liegt das Problem:

„Er hat seine Nachrichtenfreude behalten. Seine Neugier auf Neues und Absurdes, Anregendes, das ihn überrascht. Etwas, wonach er nicht gefragt hat. Auch nicht fragen konnte, weil es nicht in seinem Blickfeld war.“

Wie aber entdeckt er dies? In Zeitungen, die „Humor“ über ihre Witzecke schreibt, die so lustig ist, dass „Humor“ drüber stehen muss, damit jemand lacht? Auf der Seite „Vermischtes“? Nein, die Lust auf Neues und Absurdes decken Leser heute im Internet. Hombach widerlegt sich selbst:

„Er fragt nach dem Mehrwert, und neben der Tradition, die ihn bindet, wägt er am
Ende selbständig ab, was für ihn bequemer ist.“

Ist es bequemer im Netz unterwegs zu sein oder sich den Papiereimer vollzustopfen mit Zeitungen? Die Jugendlichen von heute freunden sich eher mit der ersten Variante an – auch wegen der Qualität der Zeitungen.

In welcher Welt Hombach lebt dokumentiert er auf schockierende Weise:

„Zeitung benötigt keine Akkus, Batterien oder Kabel.
Man muss für sie keinen Wartungsvertrag abschließen, und dass sie ein Leichtgewicht
ist, muss man niemandem erklären.
Die Zeitung ist ökologisch wieder verwertbar und biologisch abbaubar.
Sie lässt sich zu jedem Ort hin mitnehmen und geht mit einem in den Zug oder Bus, ins Auto oder Flugzeug und sogar ins Bett…

Die Zeitung braucht letztendlich auch keinen Platz in unserer Wohnung und – last but not least – Lesen ist die Königsdisziplin des interaktiven Menschen.
Dass immer mehr Jugendliche mehr Zeit mit dem Internet verbringen, heißt noch lange nicht, dass die Jungen nicht mehr lesen.
Zauberlehrling Harry Potter beweist das.
Die gleichen Jugendlichen, die von Zukunftsdeutern für Zeitungen als verloren abgeschrieben werden, warten in Schlangen vor Buchhandlungen auf die Ausgabe des neusten Harry Potter Romans.
Sie schließen sich in ihre Zimmer ein, schlafen kaum, essen und trinken wenig, telefonieren
nicht mit Freunden und fragen E-Mails nicht mehr ab.
Um zu lesen! Im Durchschnitt stolze 1200 Seiten je Potter-Buch!
Das ist Interaktivität auf höchstem Niveau: Mit sich selbst und seiner unendlichen Vorstellungskraft!“

Interaktivität mit sich selbst. Und ein Selbstgespräch ist ein Dialog. Hombach sollte den Erfolg der Potter-Bücher eher als Beweis dafür nehmen, dass die Deutschen intelligenter sind als man glauben mag, wenn man die inhaltlich glattgebügelte „Waz“ liest.

Immerhin – Überraschung, Überraschung – ist ihm das Netz nicht ganz fremd:

„Ich jedenfalls möchte die Blogger ernst nehmen. Die Verleger sollten sie zu Qualitätsproduzenten ausbilden und beschäftigen. Sie integrieren ins moderne Zeitungsmachen und unsere Online-Dienste. Die Weiterentwicklung des Internets hin zum Web 2.0 stellt einen Sprung in der Internetnutzung dar und kann von Zeitungsverlagen nur bei Strafe der uneinholbaren Verspätung ignoriert werden.“

Na gut, dieses Web-2.0-Gewäsch zeigt nur, dass Hombach sich um 1999 nicht mit Geschäftsideen im Internet beschäftigt hat, sonst würde er die alle wiedererkennen. Aber da dürfte er noch in der Politik gewesen sein. Und Politiker und Internet – da ist man ja schon froh, wenn einer Mail wie Mail aussprecht und nicht wie eine Backhilfe.

Aber vielleicht hört sogar jemand im Waz-Verlag Hombachs Worte. Oder er selbst geht einfach mal auf www.waz.de. Und dann stellt er fest: Mist, ich rede hier über Dinge, von denen mein Haus überhaupt keine Ahnung hat.

Die Zeitung kann überleben – aber sie muss sich wandeln. Wie dieser Wandel aber aussehen soll, das demonstrieren weder Hombach noch Döpfner mit Werken aus ihrem Haus. Sie reden nur drüber. Und hoffen.

Ihre Reden sind wie die des Präsidenten, der dem Trainer den Rücken stärkt. Präsidenten sind auch meist wenig kompetent in Sachen Fußball. Und sie sprechen oft grammatikalisch fragwürdige Satzkombinationen wie Hombachs Schlussworte:

„Ich bin mir sicher, dass die Reform der Zeitungen gelingt und die Zeitungen nicht nur überleben, sondern nach einer Frischzellenkur wieder richtig attraktiv und anziehend sein werden.
Genau so wie Harry Potter!“


Kommentare


DonDahlmann 12. Mai 2006 um 16:34

Haha, sehr schön, der Vergleich mit den Trainern.

Die Verleger sollten sie zu Qualitätsproduzenten ausbilden und beschäftigen

Immerhin ist dies dass erste Mal, dass ich einen führenden Verlagsrepräsentante davon reden höre, dass man sich die Qualität und Kompetenz bei den Leuten aus dem Netz holen sollte, die in den letzte Jahren das Blogdingens in Deutschland überhaupt erst groß gemacht hat. Das ist schon mal ein echter Fortschritt zu den Leuten, die meinen mit ein paar freien Kollegen, die mit Blogs bisher nichts am Hut hatten, ein Blogportal aufmachen zu können.

Antworten

zeineku.de 12. Mai 2006 um 17:16

Thomas Knüwer vom Handelsblatt schreibt heute über Döpfners und Hombachs Lobpreisungen für die klassische Zeitung:
Wenn sich aber jemand genötigt sieht, scheinbare Selbstverständlichkeiten herauszustellen, dann sind diese scheinbaren SelbstverstÅ

Antworten

Die Welt ist Scheisse – Aber ohne Geruch 14. Mai 2006 um 11:35

Herr Knüwer schreibt wieder über einen anderen Macher, der die Wahrheit endlich gefunden hat oder fast.

Antworten

genevainformation 15. Mai 2006 um 10:02

\“Sie lässt sich zu jedem Ort hin mitnehmen..\“, man kann mit ihr seinen Ofen anfeuern, dessen Scheiben hervorragend reinigen oder in größerer Not auch das Klopapier ersetzen.

Ich mache das hauptsächlich mit dem Sporteil und den Aktienkursen, was den Ofen betrifft. Ansonsten war ich noch nicht in Not, weiß aber aus bestätigten Quellen, daß das früher durchaus üblich war.

Wobei die inhaltliche Qualität hier natürlich keine Rolle spielt und das Telefonbuch zur Not auch herhalten könnte.

Ich liebe(!) meine Zeitung (es ist nicht das Handelsblatt, sondern die Süddeutsche, sorry) aus verschiedenen Gründen. Vielleicht auch deshalb, weil sie nicht ganz so viel Unsinn verzapft, wenn es um sich selber geht.

Antworten

Robert 16. Mai 2006 um 10:17

Wenn sich aber jemand genötigt sieht, scheinbare Selbstverständlichkeiten herauszustellen, dann sind diese scheinbaren Selbstverständlichkeiten eben nur scheinbar selbstverständlich.

gabs da nicht was mit anscheinend und scheinbar beim Zwiebelfisch?
sind das jetzt anscheinend scheinbare Selbstversändlichkeiten (nachfolgend S. genannt) oder scheinbar anscheinend S. oder scheinbar scheinbare S. oder anscheinend anscheinende S. und überhaupt…von wem werden die angescheint? und wer sackt die Scheine nachher ein? haaach…ich bin so verwirrt…..

Antworten

Du hast eine Frage oder eine Meinung zum Artikel? Teile sie mit uns!

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*
*