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In meinem E-Mail-Postfach ist eine Einladung eingetroffen, die zwei Möglichkeiten eröffnet: Entweder will jemand testen, ob ich mich bestechen lasse – oder er will mich wirklich auf so dümmliche Art bestechen, wie man es sonst nur von jenen radebrechenden Pseudo-Afrikanern kennt, die einen per E-Mail um die Kontonummer bitten. Das Anschreiben ist schon kurios genug:

„Sehr geehrter Chefredakteur
Sehr geehrte Chefredakteurin,
Hiermit überreichen Wir Ihnen eine Einladung für eine Reise der internationalen Presse nach Madrid und hoffen dass sie Ihr Interresse findet.
Nür fur Medien mit mehr als 50.000 copies un bevor Juni 2006.
In Erwartüng Ihrer Antwort grussen wir Sie.
Dominique D.
Abteilung für internationale Kommunikation
Alchemy Solutions“

Nun bin ich nie Chefredakteur gewesen. Aber schlecht gepflegte Presseverteiler gibt es hier zu Lande ja auch reichlich. Dass allerdings die Abteilung für internationale Kommunikation sich nicht mal einen vernünftigen Deutsch-Dolmetscher leisten kann, ist schon bedenklich. Niedlich ist auch die Homepage jener Agentur, die beim Klicken auf die Schwarz-rot-güldene Fahne die Ankündigung auswirft: „Bald kommen“. Vielleicht aber ist die Zielgruppe einfach jene voll krassen Freunde mit ihren Arschgeweihen. Denn Alchemy wird schon wissen, wie es richtig geht, sind doch Übersetzungen eines der expliziten Geschäftsfelder.

Die Einladung nach Madrid hat einen ähnlich putzigen Charakter:

„Sehr geheerte/r Frau/Herr Chefredakteur,
Im Namen der ?Fundacion Destino Madrid? möchte ich Sie, in Ihrer Eigenschaft als Reporter einladen, um Madrid kennenzulernen.“

Ähm, ja, wie jetzt? Reporter oder Chefredakteur. Vielleicht sind spanische Großpublikationen – wir erinnern uns: mindestens 50.000 Auflage – ja so dünn besetzt, dass jeder alles machen muss.

„Diese exclusive Einladung beinhaltet:
– Die Anreise von Ihrer Heimatstadt
– Die Unterbringung in einem zentral gelegenen 4 oder 5 Sterne Hotel in der spanischen Haupstadt
– Frühstück, Mittagund Abendessen während ihres Aufenthaltes.
– Transfer zwichen Flughafen und Hotels
– Transfer in Madrid während Ihres Aufenthaltes
– Ein ausführliches Programm um die wichtigsten und interessantesten Sehenswürdigkeiten Madrids (El
Escorial, Aranjuez, Alcalá de Henares…) und Umgebung (Toledo, Ávila, Salamanca, Segovia, Burgos…) zu
besichtigen.
– Die Möglichkeit wichtige Geschäfstleute und Politiker zu treffen“

Gut, fehlt nur noch das Taschengeld und eine Sonnenbrille. Aber das ist ja noch alles nichts gegen einen Journalistenpreis mit Tücken:

„Sollten Sie über unsere Stadt berichten, nehmen Sie an der Verleihung ?Premios Destino Madrid de Periodismo? teil, in denen die besten journalistischen Arbeiten über touristische Attraktionen Madrids und seiner Umgebung nominiert werden. Die Kategorien sind: Allgemeine Presse, Fachpresse, Bildreportagen, Fernsehreportage sowie Radio, die vor dem 31. Dezember 2005 publiziert werden.“

Hier erklärt sich auch der Agenturname Alchemy, denn anscheinend haben sich die Spanier eine Zeitmaschine erköchelt: Reisen Sie bald, veröffentlichen Sie in der Vergangenheit. Das könnte vor allem für die Redaktion Sportwetten und Lotto eine interessante Anwendung sein.

„Die ?Fundacion Destino Madrid? ist ein Unternehmen, das ohne lukrative Interessen…“– anscheinend also defizitär –
„…die spanische Haupstadt und ihre Region förden will.“

Und offensichtlich hat Alchemy auch den Übersetzungsetat jener Fundacion gewonnen. Auf deren Homepage finden sich irrwitzige Sätze wie:

„Die überwältigend monumentale Stadt Madrid beherbergt fünf Millionen Einwohner, von denen drei Millionen direkt in der Stadt wohnen.“

Oder
„Nachts ist sie voller Leben und tagsüber zeigt sie sich als kompetitive Geschäftsmetropole. Madrid lebt und lässt sich leben, vor allem auch von Fremden, die sie aufnimmt und zu den ihren macht, sodass sie nach einiger Zeit ganz vergessen, dass sie einmal Fremde waren…“

Hey, wer hat da „Borg“ gerufen?

Aber halten wir uns nicht zu lange auf mit dieser liebenswerten Satire auf Madrid, sondern kommen wir zurück zu jener Einladung:

„Anhand unserer Einladung möchten wir Ihnen die Möglichkeit geben, sich in die Geschichte Madrids zu vertiefen, das eigentliche Madrid kennenzulernen, und somit auch einen Blick in die Zukunft Madrids aus einer privilegierten Perspektive zu gewinnen.
Madrid lädt Sie ein, lernen Sie diese Stadt kennen, suchen Sie den Kontakt seiner Einwohner und sehen Sie mit eigenen Augen, wie das XXI Jahrhundert sich mit einer multikulturellen Stadt in ständiger Bewegung konfrontiert.“

Gibts den Kampf auch live im Fernsehen? Würd ich gerne sehen, wie sich das Jahrhundert mit der Stadt prügelt. Oder ist es nur eine Sabine-Christiansen-artige Diskussion?

Und nun noch ein paar Worte zum Journalistenpreis:

„Teilnehmen am Journalismus-Wettbewerb ‚Destino Madrid‘ können alle, die Arbeiten erstellt haben, die zu einer der folgenden Kategorien gehören:

 Artikel, die veröffentlicht wurden in der allgemeinen Presse, der Fachpresse oder auch der sogenannten Regenbogenpresse.“

Und die Regenbogenpresse wird sicherlich genauso gern so tituliert wie Werber das Wort Reklame hören.
Nun aber – liebe leicht zu Erregende – setzen Sie sich besser und genießen die Dotierung dieser Bestech, äh, Auszeichnung:

Es gibt:
2 mal 25.000 Euro
6 mal 12.500 Euro
12 mal 6.000 Euro
30 mal 3.000 Euro.
Macht insgesamt 287.000 Euro.

Was ungefähr das Hundertfache des gewöhnlichen deutschen Medienpreises darstellt. Fassen wir also zusammen: Die Tourismusförderung Madrid lädt Journalisten ein in ihre Stadt. Wer darüber etwas schreibt, nimmt an einer Preisvergabe teil, bei der es 50 mal Geld gibt. Und jene Einladung richtet sich allein an Chefredakteure großer Publikation.

Es tut wirklich weh, wenn Berufskommunikatoren sich nicht die Mühe geben, kreative Wege der Bestechung zu suchen.


Kommentare


Die Welt ist Scheisse – Aber ohne Geruch 25. April 2006 um 12:42

Spanische Erfinder konnten unlängst das Zeitproblem lösen. Alle Spanier laufen, reden und handeln langsamer. Die internationale Fachpresse meldet, das der Jungbrunnen-Spanien, bald von Deutschen und anderen Rentnern heimgesucht werden könnte. Hat Spani…

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