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Mit Zahlen lässt sich sooooo viel anstellen. Zum Beispiel eine Sensationsmeldung zusammenbasteln, die Besserverdienende in Angst und Schrecken jagt. Wie man das anstellt, zeigt der „Stern“. Morgen wird im „Stern“ eine Story über den Gesundheitssoli zu finden sein. Wenn sie Besserverdienende überfliegen, werden sie sich erst ängstigen und dann schimpfen, dass sie wieder einmal als Melkkühe missbraucht werden.

Wenn sie genauer nachdenken, werden sie feststellen, dass der „Stern“ sie außerdem für dumm verkaufen will. Zumindest wenn der Wortlaut, den AP übermittelt korrekt ist:

„Wie der ?Stern? am Mittwoch vorab berichtete, müsste bei einer Senkung der Krankenkassenbeiträge um 1,5 Prozentpunkte und der Einführung eines Gesundheitssolidarzuschlags von acht Prozentpunkten auf die Einkommensteuer ein privat versicherter, lediger Spitzenmanager mit einem Monatsgehalt von einer Million Euro künftig 33.536 Euro mehr Steuern zahlen.“

Na, was aufgefallen? Nein, damit meine ich nicht, dass auch normale Manager – sie müssen nicht Spitze sein oder einen Spitzenhersteller führen, das ist einfach so eine Wortblase, die Journalisten gerne verwenden – viel verdienen könnten. Sondern: Wieviele Manager in Deutschland verdienen eine Million MONATLICH? Also zwölf Millionen Euro pro Jahr und wir nehmen mal an, da kommt noch eine Prämie oben drauf?

So rechnet sich der „Stern“ eine Geschichte schön. Oder auch skandalös. Denn es geht ja noch lustiger:

„Eine gesetzlich versicherte, ledige Friseuse mit einem Bruttolohn von 1.000 Euro dagegen müsste keinen Solidarzuschlag leisten und würde durch die
Beitragssenkung um rund acht Euro im Monat entlastet.“

„Ja, klar, die dumme Pute“, zetert die Besserverdienenden-Zielgruppe des „Stern“: „Wir schuften für so eine Lockendreherin!“ Und im Kopf schnippelt sich schon eine bauchnabelgepiercte Blondine mit Wasserstoff im Haar und im Hirn durch ihr Schmarotzer-Leben.

Dumm nur, dass die Zahl der Friseusen gering ist, die heißen Friseurinnen – aber wir wollen ja keine Haare spalten hier. Vielmehr aber dürfte die Zahl der Haarabschneiderinnen die 1.000 Euro brutto verdienen eher gering sein: Laut Tarifvertrag NRW von 2003 (Einen aktuelleren habe ich gerade nicht gefunden: Die zuständigen Gewerkschaften verschaffen sich anscheinend einen kleinen Nebenerwerb, indem sie die Verträge nicht ins Netz stellen, sondern gegen Gebühr versenden – sehr gewerkschaftlich gedacht, liebe Arbeitnehmerausnehmer) verdient schon eine Mitarbeiterin ohne Gesellenprüfung ab 1.1.2004 1.129 Euro.

Die Vorabmeldung, die AP übrigens zitiert, findet sich nicht auf der Homepage des „Sterns„. Und das ist wohl auch besser so.

Nachtrag vom 27.4.:
Laut Gehaltstest der „Süddeutschen“ handelt es sich da wohl nur um Ungelernte oder Auszubildende:

„Friseur/in

Durchschnittsgehalt in Euro (Brutto):
Anfangsgehalt (monatlich): 1.012 – 1.390 Euro

Meistergehalt (monatlich): 1.701,50 ? Euro

Tarifliches Gehalt, oft wird mehr bezahlt;
die einzelnen Bundesländer handeln jeweils andere Tarifverträge aus, die oben stehenden Zahlen gelten für das Bundesland Bayern; in verantwortlichen Stellungen sind dort Mindestgehälter von derzeit 1.701,50 ? üblich

Während der Ausbildung verdienen angehende Friseure im Schnitt (über alle Lehrjahre) 414 Euro brutto monatlich in Westdeutschland und 257 Euro brutto im Osten.

Quelle: Zentralverband des deutschen Friseurhandwerks, Bundesinstitut für Berufsbildung 2004″


Kommentare


Herr Schwaner 27. April 2006 um 10:23

Komisch – und in Berlin kommuniziert die FDP im Wahlkampf, dass sich Arbeit wieder lohnen solle. Es könne ja schließlich nicht angehen, dass ein ALG-II Bezieher mit allen Leistungen mehr Geld bekomme, als eine Friseurin mit rund 580,00 Euro pro Monat.

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Wempe 27. April 2006 um 13:52

Wobei man bitte beachten sollte, das in Ostdeutschland und zum Teil auch in Berlin nicht nach Tarif bezahlt wird und die Bruttogehälter für Frisöre, Gastronomieangestellte, Verkäufer etc. in vielen Orten, auch zum Beispiel an Wachstumsstandorten wie Dresden, die 1000 Euro Marke nicht schaffen. Auch bei ausgebildeten Angestellten.

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