Endlich. Es klingelt.
Schwungvoll wirft Senior Consultant Alexandra ihre Schürze auf den Küchenstuhl. Alles ist bereit: Das Sterne-Restaurant „Au Porte-Parole Sauté“ aus dem Herzen der Stadt, an deren Rand die kleine PR-Agentur liegt, hat die Langustenschwänze an Trüffelsauce mit Krebsfleisch in Jakobsmuschelschale unter Blattgoldfäden geliefert. Alexandra hat ganz, ganz vorsichtig die edle Speise auf ihre Teller drapiert und die Abdeckung verschwinden lassen.
Dann noch ein paar Töpfe und Pfannen dreckig gemacht, schon wird Senior Consultant Lars glauben, sie habe für ihn gekocht. Und das macht ihn scharf. „Hat so was unterwürfiges“, sagt er immer. Ihr jetzt schon Monate dauerndes Tête-à-Tête hat zwar einen kleinen Knick erlebt wegen der Sache in Kaiserslautern. Aber nach der Übergabe des Brillant-Colliers war Alexandra einigermaßen befriedet und der Fast-Sturz vom Stadiondach vergessen.
Nun also ist alles bereit für einen netten Samstag Abend: exzellentes Essen, eine gut gekühlte Flasche Witwe Klöckot, viele Kerzen, frische Bettwäsche („Wenn wir es überhaupt bis ins Schlafzimmer schaffen“, denkt Alex). Und unten steht Lars und klingelt, frisch eingeflogen von einer Fortbildung in Berlin.
Doch ist er es wirklich? Alexandra macht sich Sorgen, als sie leise schlurfende Schritte im Treppenhaus vernimmt und schweres Atmen auf jeden Treppenabsatz. Wie ihr 90jähriger Opa hört sich das an.
„Lars?“, fragt sie hinunter.
„Gleich, gleich“, kommt ein heiseres Wispern zurück. Dann wieder Schlurfen, schwer Atmen, Pause, Schlurfen, schwer Atmen.
Als Lars Kopf sich langsam zeigt, verrutschen Alexandra die Gesichtszüge. Blass ist er, blauschwarze Ringe lenken von seinen Augen ab, die Schultern hängen hinab, sein Rasierer scheint den Dienst versagt zu haben, trotz der abendlichen Stunde ziert seine DKNY-Sonnenbrille die Nase.
„Wie siehst DU denn aus?“, platzt es aus Alex heraus.
Lars greift sich mit der rechten Hand wie vom Schlag getroffen an den Kopf. „Nicht so laut“, röchelt er.
Verständnislos gibt ihm Alex einen kurzen Kuss und lässt ihn ein. Mit fast tatterigen Bewegungen hängt Lars seinen Mantel auf und befreit sich von der roten Hermès-Krawatte mit den vielen kleinen Kutschen, die ohnehin schlampig gebunden um seinen Hals hangelte. Wortlos setzt er sich an den Tisch, muss sich gar an der Lehne des Arne-Jacobsen-Ameisen-Stuhls abstützen, bevor er sich niederlässt und den Kopf in beide Hände nimmt. Dann stöhnt er leise.
„Also?“, fragt Alexandra ungehalten ob der Missachtung. Tapptapptapp, macht die Spitze ihres schwarzen Manolo-Blahnick-Stilettos auf dem Parkett des Wohn-Esszimmers.
„Oohhhh… Hör auf… Das Geräusch…“, brabbelt Lars und deutet in Richtung von Alex Schuh.
Alex schaut nach unten und stoppt das ungeduldige Wippen der Fußspitze.
„Danke“, flüstert ihr Kollege/Liebhaber. „Es war das Seminar. Du weißt doch:
,Die Macht der Sprache – Erfolgreich schreiben in der PR‘.
Mit Klaus Kocks, dem ehemaligen VW-Sprecher.“
„Ja, ich weiß. Wär ich auch gerne hingegangen. Kocks ist schließlich echt ne Nummer in der Szene.“
„Und war bei VW. Und die wissen, wie die Geschäfte laufen. Also hat er gestern Abend den Gesellschaftsteil durchgezogen:
,Szenewechsel: Bar-Hopping in Berlin! Lernen Sie Berlin nach getaner Arbeit von einer anderen Seite kennen! Touren Sie mit uns am Freitag Abend durch die besten Szene-Viertel der Stadt und genießen das Nachtleben in ausgewählten Klubs und Bars.‘
Sogar ,Kocks, wo bleiben die Weiber‘ hat einer gerufen.“
„Ihr habt also gesoffen bis zum Anschlag?“
„Jaaaaaa“, kommt es klagend von Lars. „Und am nächsten Morgen hat er den Seminarbeginn auf neun Uhr gelegt, die Sau. Ich weiß nicht, was heute besprochen wurde. Und auch keiner der anderen. Wir sind alle fertig.“
„Na, dann iss erst mal was“, muntert Alex ihn auf und balanciert aus der Küche zwei große Teller mit den kunstvoll arrangierten Speisen.
Lars wirft einen hohlen Blick auf die getrüffelten Langusten, greift sich an den Bauch und rennt Richtung Toilette. Kurz darauf klingt es so, als rufe er einen Freund um Hilfe. Und der heißt Jörg. Mit lang gezogenem Ö.
Erst am Montag ist alles wieder gut. Zumindest bei Lars. Alexandra ist sauer. Noch beim sexlosen Einschlafen am Samstag hat sich hörbar gemurmelt: „Früher konnten Männer wenigstens noch saufen.“
Managing Partner Marcel hat ein Meeting einberufen. Noch immer braucht er einen Rollstuhl, was Lars stark an den James-Bond-Bösewicht Blofeld erinnert. „Fehlt nur noch die weiße Katze“, hat er zu Alexandra gemurmelt, als Marcel zum ersten Mal in die kleine Agentur rollte.
An diesem Morgen steht eine neues Projekt an: Die kleine PR-Agentur soll eine Umfrage machen. Über den Biermarkt.
„Eine ganz neue Market Opportunity“, schwärmt Marcel. „Unser Entry in den Markt des Value driven Data Collecting.“
„Und, ähm, was genau sollen wir machen?“, fragt Junior Consultant Tanja-Anja.
„Alles easy“, antwortet Marcel. „Wir gehen nach draußen und enabeln Experten, ihre Opinion zu spreaden.“
Wollte man sammeln, was in den Köpfen der Mitarbeiter der kleinen PR-Agentur gerade vorginge, ließe sich dies mit einem Wort subsummieren:
„Häh?“
Marcel fängt das Schweigen auf. „Wir müssen 170 Decision Maker im Retail-Bereich abfragen. Wohin der Markt geht, welche Brands up and coming sind und so. Und dann gibt’s den Beer Champion aller Brands. Und damit es efficient bleibt, machen wir Peer Group Meetings.“
Kurze Zeit später hat sich die 170-köpfige Peer Group in einem Konferenzraum eines Hotels versammelt. Vor allem Supermarktbesitzer und Vorstandsassistenten. Ausgerechnet Lars und Alexandra sollen sie befragen. Nur: Alexandra hat Migräne – mal wieder.
„Dann lernst Du endlich mal saufen“, hat sie ihm jenes Wochenende nochmal aufs Brot geschmiert.
170 Leute soll er befragen. Und der Bogen ist endlos lang. Immerhin gibt es Bier. Doch schnell stößt er auf Probleme: Die Entscheider wollen sich einfach nicht entscheiden.
Nach einer Stunde und gerade mal zwei ausgefüllten Bögen, braucht Lars eine Pause. „So geht das nicht weiter“, murmelt er auf einem Hocker der Hotelbar. Entnervt gleitet sein Blick über die aufgestellten Flaschen – ein Gedankenblitz: „Geben Sie mir alles, was sie an Wodka haben“, ordert er beim Barkeeper.
Wenn Lars in seinem Wochenendseminar etwas gelernt hat, dann das: Saufen sorgt für Willenlosigkeit. Und Willenlosigkeit beschleunigt, ist er sich sicher, das Ausfüllen von Fragebögen.
Schnell schleppt er einen Kasten Bier aus dem Konferenzraum. Ganz vorsichtig hebt er die Kapseln ab, schüttet einen Schluck Bier in den Papierkorb, füllt mit Wodka auf und verschließt die Flaschen sorgfältig wieder. Nein, das würde niemand auffallen. Er trägt den Kasten zurück und ruft schwungvoll: „Na, wer will noch eins?“
Zwei Stunden und viele aufgefüllte Flaschen später, ist Lars zum Gruppen-Ausfüllen übergegangen. Wie eine entfesselte Teenager-Schar beim Konzert von Tokio Hotel bejubeln die Entscheider jede Frage. Was geantwortet wird, ist sowieso egal.
„Und welches Bier wird den Markt richtig aufräumen?“, ruft Lars in den Raum.
„Hhhomabachhaa“, brüllt ein mindestens 120 Kilo schwerer Einkäufer eines großen Handelskonzerns. „Isss aus Olpe, wie ich auch. KROMBACHA, KROMBACHA“, skandiert er und die alkoholisierte Meute geht mit: „KROMBACHA! KROMBACHA!“
Nun ist kein Halten mehr, der Einkäufer animiert den Rest des Saals zum Absingen der inoffiziellen Sauerland-Hymne:
„Sauerland mein Herz schlägt für das Sauerland
Begrabt mich mal am Lennestrand
Wo die Misthaufen qualmen da gibt’s keine Palmen
Sauerland mein Herz schlägt für das Sauerland
Vergrabt mein Herz im Lennesand
Wo die Mädchen noch wilder als die Kühe sind“
Lars notiert einfach mal bei allen Fragen: Krombacher.
Als die Studie erscheint, schlägt Marcel ihm kräftig auf die Hüfte (höher kommt er nicht aus seinem Rollstuhl): „Good Job, Lars! Dass die Entscheider eine kleine Brand wie Krombacher auf Platz eins hieven – das gibt richtig Resonanz in den Medien“
„Bierranking: Krombacher vorn!
UGW ermittelt die Biermarken-Champions
Wiesbaden, 06.01.2006. (ugw) Krombacher (5,29 Mio. hl/2004) und Beck’s (InBev Dt., 12,0 Mio. hl) sind die begehrtesten Biermarken aus Sicht des Handels. In einem aktuellen Bierranking der UGW Marketingberatung belegten Bitburger (4,12 Mio. hl), Veltins (2,29 Mio. hl) und Warsteiner (5,10 Mio. hl) die nächsten Plätze. Im Vergleich zum letzten Bierranking (2002) konnten sich Hasseröder (InBev Dt., 12,0 Mio. hl) um vier Plätze, Veltins
um zwei Plätze und Beck´s sowie Bitburger um eine Position verbessern.
Paulaner hingegen büßte einen, Warsteiner sogar drei Plätze ein. Grundlage der seit 1998 regelmäßig ermittelten Top 10 am deutschen
Biermarkt ist eine ausführliche Befragung von über 170 Top-Entscheidern im Handel (Lebensmittelhandel und Getränkeabholmärkte). Abfragt wird speziell
das Marketing- und Vertriebspotenzial der Brauereien, u.a. die Einschätzungen zu Markenimage, Produktinnovationen, Marge/Konditionensystem und Werbeunterstützung. Thomas Pielenhofer von der UGW: „Der
Markenreferenzindex M-REX(r) trennt beim Bier die Spreu vom Weizen. Wer sich beim Marketing und Vertrieb nicht bewegt, verliert!“. Der
Pro-Kopf-Verbrauch beim Bier liegt derzeit bei rund 116 Litern je Einwohner/Jahr.
UGW Bierranking TOP 10
1. (1.) Krombacher
2. (3.) Beck´s
3. (4.) Bitburger
4. (6.) Veltins
5. (2.) Warsteiner
6. (5.) Paulaner
7. (11.) Hasseröder
8. (8.) Erdinger
9. (7.) Radeberger
10. (9.) König“
(Vielen Dank an Julius Endert und Gerhard Pfeffer für die Hinweise)
Weitere Abenteuer der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt:
Kurz vor Mitternacht
Koffeein-Schock
Mai-Ausflug
Frühlingsgefühle
Wahlkampf
Marcelinho
Arbeitsverweigerungskampf
High-Society
Verzweiflungstat
Frisches Blut
Niederschlag
Weibliche Waffen
Imagewandel
Vroni
Lingua franca
Angie
Dumm gelaufen
Neue Republik
PC-Maus
Gedanken eines Chefs
Rooobiiiiiieee
Daviiiiiiiid
Geliebte „Bunte“
Sich einfach zulassen
Ein fröhlich‘ Lied
Backenfutter
Kaiserslautern
Have yourself a merry little christmas
DFB
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