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Am Sonntag wählt NRW. Sollte es knapp werden, wird es für viele Zeitungsredaktionen ein schwerer Abend. Denn die Blätter mit einer hohen Auflage und einem weiten Verbreitungsgebiet müssen mehrmals ihre Druckmaschinen anhalten und aktualisieren. Und deshalb bekommt das Internet eine besondere Bedeutung. Nur: Internet- und Zeitungsleser sind zwei unterschiedliche Spezies – mit kuriosen Folgen. 

Papier ist geduldig? Das Papier vielleicht, der, der es vertreiben will weniger. Vor allem wenn es bedruckt ist und jeden Tag erscheint. Dann muss es früh raus, zum Beispiel wie das Handelsblatt, dass auch im Ausland zu haben sein soll.

Für Verlage bedeutet das: früh andrucken. Dementsprechend werden im Laufe der Produktion mehrmals Seiten aktualisiert und ausgetauscht, so dass es mehrere Ausgaben gibt. Gekennzeichnet werden diese in der Regel mit Sternen oder ähnlichen Symbolen, meist sind die irgendwo oben in der Nähe des Kopfes zu sehen. Je mehr Sterne, desto aktueller ist die Ausgabe.

Gerade bei engen Wahlnächten gewinnt diese Aktualisierung an Bedeutung. Zum Beispiel bei den letzten Bundestagswahlen, als lange auf der Kippe stand, wer denn nun Kanzler würde. Da hatten einige Blätter zwischenzeitlich schon Stoiber gekrönt und schwenkten dann noch einmal um.

Jeder Chefredakteur in Deutschland wird deshalb heute seine Leute einschwören: "Denkt auch an das Internet." Da ist man auf jeden Fall aktuell, deshalb müssen auch die Online-Kollegen beliefert werden – und das ist natürlich auch gut so.

Einen Fehler sollte man allerdings nicht machen: Zwingende Rückschlüsse aus den Klickzahlen auf das Print-Produkt ziehen. Zum einen gibt es viele Leser, die nur die Internet-Ausgabe lesen. Zum anderen ist das Internet ein wenig so wie der erste Urlaub ohne Eltern: Man fühlt sich unbeobachtet und tobt sich aus. "Rüttgers regiert in NRW – egal, da ist ne knackige Schönheit", denkt da mancher und klickt auf’s Pinup. "Steinbrück hat’s nochmal geschafft – aber, hey, da wird der neue Porsche getestet!", der andere.

Der australische Journalist Lance Knobel beschreibt sogar ein Extrem-Beispiel: Das meist gekaufte chilenische Blatt "Las Ultimas Noticias" blendet ständig die Klickzahlen der Online-Artikel in seinen Redaktionsraum. Was geklickt wird, wird am Ende des Tages gedruckt. Ergebnis: Aufmacher im Wirtschaftsteil war der Concurso Miss Reef – ein Schönheitswettbewerb. Inklusive Fotos natürlich.


Kommentare


Gerold Braun 21. Mai 2005 um 11:53

Das wär doch Mal eine Herausforderung für die Wahltagsausgabe; Motto: „Wir fahren die Wahlbeteiligung in den Keller!“ Die Spitzenkandidaten nackt – im „Schönheits“-Wettbewerb.

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