Unsitten gehören eigentlich nicht gepflegt. Außer, sie bewahren jemand vor sehr, sehr großen Dummheiten. Ivan Seidenberg, zum Beispiel, den CEO des Telekom-Konzerns Verizon.
Welches ist die schlimmste Frage, die man einem Journalisten stellen kann?
Antwort: "Wir stimmen das aber nochmal ab, oder?"
Diesen Satz sagt meist der Presseprecher, der an der Seite des gerade interviewten Vorstands sitzt. Was er damit meint: Die wörtlichen Zitate werden ihm noch einmal zugemailt und in der Regel verwandelt er das gut klingende Gespräch in die Vorschriften zum Einreichen eines Bauantrages beim Liegenschaftsamt Löffingen.
Regelmäßig ist dies auch noch ein Eigentor, denn je langweiliger ein Interview klingt, desto kleiner wird es gefahren – aber das ist eine andere Geschichte.
Manchmal nämlich macht solch eine Abstimmung Sinn. Dann aber geht es um viele, viele Zahlen oder komplizierte bis sehr komplizierte technische Zusammenhänge. Dachte ich bis jetzt. Weil ich Top-Manager für intelligent genug hielt, um zu erkennen, wann sie sich bei einem Interview reinreiten. Und zwar so richtig.
Womit wir bei Verizon wären. Und seinem CEO Ivan Seidenberg, der vom "San Francisco Chronicle" interviewt wurde (gefunden bei Dan Gillmor).
Tja, und der gute Mr. Seidenberg jammert über die ach so anspruchsvollen Kunden, die sogar in ihren eigenen vier Wänden mit dem Handy telefonieren wollen – wie unverschämt:
"Why in the world would you think your (cell) phone would work in your house?" he said. "The customer has come to expect so much. They want it to work in the elevator; they want it to work in the basement."
Ja, wo kämen wir denn da hin, wenn die Mobilfunkanbieter das auch noch möglich machen würden? Wer gelegentlich mal versucht, in den USA mobilzutelefonieren, weiß, dass man von diesem Umstand wahrlich weit entfernt.
Mr. Seidenberg ist hiermit heißer Kandidat für die jährliche Wahl zu den "dümmsten Business-Momenten des Jahres" des Magazins "Business 2.0". Meine Stimme zumindest hat er – und den guten Rat, Interviews vielleicht doch abstimmen zu lassen. Sollte ein Journalist sich dagegen wehren: einfach diese Mitleid erregende Dummheit vorlegen. Das wird das zynischste Schreiberherz erweichen.
Kommentare
Der Schulz 18. April 2005 um 18:35
LOL.
Alex 23. April 2005 um 18:27
Dazu möchte ich auch nochwas anmerken, weil du das so selbstverständlich darstellst.
Wenn niemand auf die Idee käme im Aufzug oder in der Tiefgarage auch noch telefonieren zu wollen, könnte man die Leistung der Mobiltelefone und v.a. der Basisstationen auf einen Bruchteil zurückschrauben.
1/20 der Leistung und noch viel weniger ist realistisch.
Aber so gibt es halt doch (berechtigte) Bedenken, in erster Linie natürlich von Leuten, die so einen Mobilfunkmasten vor dem Schlafzimmerfenster stehen haben.