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Nun scheint es so weit zu sein: Die Bundesregierung will Zeitungshäuser staatlich subventionieren. Sicher, sie wird es anders nennen – das doch Ergebnis ist eindeutig.

Das wird jeden einzelnen Computer ein wenig teurer machen – das ist erträglich. Weniger erträglich werden die Folgen sein. Denn von einer regierungskritischen Presse dürfen wir uns damit in Deutschland wohl verabschieden.

Moralische Grundsatzfrage: Darf ein Unternehmer für sein wirtschaftliches Überleben – und damit für die Weiterbeschäftigung seiner Angestellten – lügen?

Die Antwort ist nicht so einfach. Die Frage aber ist aktuell – für jeden Verleger.

Denn nach Informationen von Carta plant die Bundesregierung tatsächlich ein Leistungsschutzrecht für Verlage. Angeblich heißt es im Koalitionsvertrag:

„Verlage sollen im Online-Bereich nicht schlechter gestellt sein als andere Werkmittler. Wir streben daher die Schaffung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage zur Verbesserung des Schutzes von Presseerzeugnissen im Internet an.“

Käme es so, wären die Verleger und Verlagsmanager mit einer Lüge zum Wohle ihres wirtschaftlichen Überlebens durchgekommen. Denn seit Monaten behaupten sie, was schlicht nicht stimmt: Dass im Internet ihre Texte ebenso raubkopiert würden, wie Musik oder Filme.

Auf Nachfrage von Stefan Niggemeier aber waren sie nicht in der Lage, irgendwelche konkreten Belege dafür zu liefern. Und natürlich können sie das auch gar nicht. Denn die Zahl der raubkopierten Artikel ist höchst überschaubar. Oft genug handelt es sich um Unternehmen oder Personen, über die berichtet wurde – und die nun dafür zahlen sollen, die Berichterstattung über sie auf den eigenen Homepages zu verwenden.

Und selbst da, wo tatsächlich Rechteverstöße vorliegen, ist die Sache simpel: Es existiert inzwischen Software, und Verlage setzen diese auch ein, die das Web nach Texten durchforstet – und nach dem Auffinden folgt die Abmahnung. Das funktioniert alles in allem auch recht ordentlich.

Doch das löst nicht das größte Problem der Zeitungshäuser: Sie sterben. Sie brauchen Geld. Zur Not halt vom Staat.

Und der gibt es ihnen nun. Schweren Herzens wohl kaum, denn auch Angela Merkel weiß, wie es in Frankreich aussieht. Dort haben indirekte Subventionen die Presse handzahm gemacht. Regierungskritische Berichterstattung bewegt sich dort in überschaubaren Bahnen. So etwas ist für jeden Politiker höchst angenehm.

Auch in Deutschland dürfen wir uns auf etwas in der Art einstellen. Denn natürlich wird die Höhe jener Leistungsschutzrechte alle paar Jahre angepasst – und dann sitzen Verlage mit einer Aufsichtsbehörde am Tisch, die unter politischem Einfluss steht. Wer mag es sich da vorher mit den Herren des Geldes verderben?

Natürlich gibt es noch eine Möglichkeit, dass alles anders wird. Denn wir reden bei Leistungsschutzrecht natürlich über digitale Texte. Die Verlage werden nicht umhin kommen, eine Kröte zu schlucken: Jeder, der im Netz veröffentlicht, wird ebenfalls beteiligt werden müssen – denn ansonsten wäre das ganze eine zu offensichtliche Print-Subvention. Mit zunehmender Zahl der reinen Online-Publikationen sinkt somit die potenzielle Einnahme. Schon mittelfristig könnten sogar Angebote entstehen, die allein darauf abzielen, jene Leistungsschutz-Abgaben einzukassieren.

Trotzdem werden die Print-Verlage sich handzahm geben – denn sie sind einerseits die absehbar größten Profiteure der Staatsunterstützung und andererseits besondes abhängig davon. Obwohl: Vielleich ist ja DPA der noch viel größere Leistungsempfänger – schließlich bestehen weite Teile der Online-Auftritte deutscher Medien aus den Meldungen der Agentur.

Ein Leistungsschutzrecht also verlängert die künstliche Beatmung der Tageszeitungsverlage. Statt der Marktwirtschaft Raum zu geben, setzt die schwarz-gelbe Regierung auf tiefrotes Denken – ganz im Sinn des persönlichen Machterhalts.


Kommentare


Future Face of Media: Es quält die Stille 20. Mai 2010 um 7:30

[…] geht es um etwas anderes. Die Verlage investieren weiterhin immens viel Zeit in des Lügengebilde Leistungsschutzrecht. Zum einen ist dieses Gespinst simples Betteln um Staatshilfe, zum anderen durch die Unterhöhlung […]

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Das Qualitätsproblem von 6. Juli 2010 um 10:12

[…] und Inkompetente was zahlreiche Manager von Zeitungsverlagen absondern im verzweifelten Betteln um Staatshilfe in Form des Leistungsschutzrechtes. Und immer wieder wird die journalistische Qualität der […]

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Verleger, DJV und Verdi – die Feinde der Pressefreiheit 9. August 2010 um 17:26

[…] darauf hoffen, dass Deutschlands Politiker dem Lobbyismus der Demokratiegefährder nicht erliegen. Viel Hoffnung besteht leider nicht. Es darf einem übel […]

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Peter 22. April 2011 um 9:19

Das ist ein wenig sehr verkürzt gedacht. In den meisten Systemen, die einer externen, unabhängigen Kontrolle bedürfen, zahlen die Kontrollierten auch noch für ihre Aufsicht. Zumindest verdienen sie nicht daran (Lebensmittelkontrolle nur als Beispiel). Sie haben bestenfalls einen Imagevorteil „zertifiziert“ zu sein.
Bei den Tageszeitungen profitiert man jedoch: Über die Mehrwertsteuer, über die Lohnsteuer der dort Beschäftigten usw. Die Mehrwertsteuer für periodische Publizistik wegzulassen, wäre also kein Problem. Die Reduzierung auf 7 % ging ja auch. Und die Politik könnte sie nie wieder anheben, weil dann sofort Protest laut würde, man wolle die Kritiker ökonomisch in die Knie zwingen.
Dann gibt es die Öffentlich-Rechtlichen Medienanstalten. Die werden nicht nur subventioniert, die führen sich auf wie Feudalherren. Bevor man auch nur ein Wort über Verlage verliert, sollte man sich erst mal an der Zwangsbezahlung diese abartig aufgeblähten Apparate abarbeiten.
Wer glaubt, Zeitungsartikel würden einfach raubkopiert, ist nur naiv.
Diese Art der Ausbeutung der Arbeit anderer funktioniert ganz anders.
Beispiel: Jeden Morgen werden in den Büros sogenannter Fernsehnachrichtenagenturen die Lokalausgaben der Region durchgesehen, früher auf Papier, jetzt wahrscheinlich im WWW.
Die Themen, die andere ausgegraben haben, schlägt man dann dem Abnehmer vor. Das ist wiederum der mit 8 Milliarden Euro pro Jahr schrecklich unterfinanzierte Öffentlich-Rechtliche Rundfunk. „Eine flächendeckender Berichterstattung findet nicht statt.“ – steht im Rundfunkstaatsvertrag. Das kann man ja ändern, wenn die Zeitungen endlich tot sind. Dann hat die Apparatschick-Publizistik endgültig gesiegt.
Sorry, da ist mir jede Subventionierung der Verlage lieber.

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