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Es gibt sicherlich kaum ein größeres Ärgernis im digitalen Deutschland als Thilo Weichert, der Chef des angeblich unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz in Schleswig-Holstein.

Die Zahl seiner absurden Forderungen und Zitate reicht inzwischen um Bücher zu füllen. 2008 behauptete er, Google Streetview würde Einbrechern helfen (bis heute kommen die prima ohne aus). Dann bezeichnete er Deutschlands Bürger (also die, deren Rechte er vertritt) öffentlich als dumm. Er forderte eine Ausweispflicht, bevor man online gehen darf. Bei der Facebook Graph Search behauptete er fälschlicherweise, hochsensible Informationen würden veröffentlicht. Auch eine unterschiedliche Behandlung schleswig-holsteinischer Nutzer gegenüber denen aus anderen Ländern fabulierte er herbei.

thilo weichert

Noch immer weiß ich nicht, ob Weichert einfach lügt oder nur fürchterlich inkompetent ist. Das heißt: Jetzt weiß ich es.

Denn in einem Radiointerview für die DPA, das Daniel Fiene mitprotokolliert hat, sagte Weichert tatsächlich:

“Außerdem besteht die Gefahr, dass eben WhatsApp, das bisher als nicht-kommerzieller Dienst unterwegs war, eben jetzt ganz massiv kommerzialisiert ist. Das heißt, die Daten eben für kommerzielle Zwecke ausgebeutet werden.”

Nicht-kommerziell? Ich frage mich, welche Nutzer glauben, dass Whatsapp nicht-kommerziell ist angesichts der nicht zu übersehenden Hinweise, dass die Nutzung des Dienstes ab dem zweiten Jahr 99 Cent kostet.

Infam auch sein Angriff auf Facebook:
“Facebook ist durch das amerikanische Recht nicht an  europäisch an deutsche Grundrechte, an das Grundrecht auf Datenschutz und das Telekommunikationsgeheimnis gebunden. Das nutzt dieser Anbieter dafür auf, Daten umfassend auszuwerten, Profile zu erstellen und kommerziell zu nutzen.”

Denn auch das ist natürlich falsch. Facebook ist durch seinen Ableger in Dublin sowohl and das europäische Datenschutzrecht als auch die anderen EU-Gesetze gebunden. Die zuständigen Datenschützer haben Facebook ein gutes Zeugnis ausgestellt.

Nun darf man vielleicht kritisieren, ob deutsche Datenschützer kritischer als irische sind. Nur: Deutschland ist, vielleicht überrascht das Thilo Weichert, Mitglied der EU. Und somit muss sich auch Deutschland danach richten, welche Behörden jeweils zuständig sind. Alternativ kann Weichert ja für den schleswig-holtsteinischen Landtag kandidieren mit der Forderung, aus der Europäischen Union auszutreten (hm, hoffentlich bringe ich die AFD jetzt nicht auf dumme Gedanken).

Mit diesem gigantischen Ausmaß an Inkompetenz ist Weichert jetzt schon eine Schande für den Technologiestandort Deutschland. Doch es kommt ja noch schlimmer. Denn in diesem Jahr würde seine zweite Amtszeit enden – und seine fragwürdige Karriere wäre endlich beendet.

Doch nach Informationen der „Taz“ sollen die schleswig-holtsteinischen Regierungsparteien SPD, Grüne und die Minderheitenvertreter SSW an einer Lex Weichert – der Datenverschützer ist selbst anscheinend den Grünen nahe stehend – erwirken.

Das zeigt wohl: Man muss besonders inkompeten sein, um in Schleswig-Holstein in seinem politischen Job zu bleiben.


Kommentare


Christian Buggisch 25. Februar 2014 um 19:36

Einzig positiv: Dass er nicht Nachfolger von Peter Schaar als Bundesdatenschützer geworden ist. Denn das war bislang sein Ziel und der Grund für seine ganze marktschreierische Lautsprecherei – meine Interpretation.

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Leander Wattig 25. Februar 2014 um 19:39

Schade, dass man sich hierzulande mit luftgestützter Panikmache einen Namen und Karriere machen kann.

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JMK 26. Februar 2014 um 0:10

einen link zum Original interview der DPA gibt es nicht?

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Thomas Knüwer 26. Februar 2014 um 14:41

@JMK: Es war bei Herrn Fiene verlinkt. Da er das ausgegraben hat, gebührte ihm aus meiner Sicht auch der Link.

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Tim 26. Februar 2014 um 11:01

Spielt es irgendeine Rolle, ob staatliche Datenschutzbeauftragte kompetent sind oder nicht? Niemand nimmt sie ernst, ihre Äußerungen bleiben stets folgenlos. Das einzige, was sie tatsächlich erzeugen, sind Kosten.

Wenn man diese Stellen von heute auf morgen abschaffte, gäbe es keinen einzigen negativen Effekt.

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Thomas Knüwer 26. Februar 2014 um 14:42

@Tim: Ich sehe das anders. Kompetente Datenschützer könnten wichtige Debatten zur digitalen Gesellschaft vorantreiben.

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NonKon 26. Februar 2014 um 11:06

Nun, in dem einen Punkt hat er doch gar nicht so unrecht: Die Deutschen sind dumm. So im Schnitt… sogar saudumm. Thilo Weichert in diesem Amt ist mehr als ein Beleg für seine „Theorie“.

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fiene 26. Februar 2014 um 12:23

Das war ein DPA-Radiointerview – siehe http://www.mywebwork.de/fiene.tv/archive/2014/02/25/fiene-thilo-weichert-der-whatsapp-nicht-versteht/

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Hans-Georg Moek 26. Februar 2014 um 12:36

Eine Auseinandersetzung in der Sache wäre gewinnbringend für den Leser. Stattdessen den Landesdatenschützer in Schleswig-Holstein persönlich zu verunglimpfen, ist schlechter Stil. Thilo Weichert hat Punkt für Punkt aufgeführt, warum er der Ansicht ist, dass facebook sich nicht an den bundesdeutschen Datenschutz hält. Teicherts Position zu Facebook – die zugegebenermaßen umstritten ist und gegen die man argumentieren kann – , wird übrigens von allen bundesdeutschen Landesdatenschützern geteilt. Die alle würde der Vorwurf, es handle sich um ein „gigantisches Ausmaß an Inkompetenz“ auch treffen. Dass ein streitbarer Datenschützer „eine Schande für den Technologiestandort Deutschland“ sei, ist nicht nur falsch. Zu diesem Aufsatz fällt mir der Satz ein: „Man kann einer Sache kaum besser schaden, als dadurch, dass man sie schlecht vertritt!“

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Thomas Knüwer 26. Februar 2014 um 14:39

@Hans-Georg Moek: Es gibt ein gesamtdeutschen Kompetenzproblem in Sachen Datenschutz. Nehmen Sie nur die Karriere des NRW-Gegenstücks von Herrn Weichert, Ulrich Lepper. Ein lang gedienter CDU-Mann ohne jedes Wissen zum Thema, der dann zwangsversorgt werden musste. Ich verbrachte zwei Stunden beim WDR mit ihm, es war grausam: https://www.indiskretionehrensache.de/2010/09/thilo-weichert-ulrich-lepper/

Und dann residieren viele der Datenschützer in hübschen Räumlichkeiten, zum Beispiel dem Schloss Ansbach in Bayern, und tragen exakt nichts substanzielles zu Debatten bei. Ich habe nichts gegen Streitbarkeit. Nur behauptet Weichert Dinge, die nachweislich falsch sind. Entweder ist der inkompetent – oder er lügt (als öffentlich angestellter) die Öffentlichkeit an. Welche Variante ist Ihnen lieber?

Übrigens: Gunnar Bender von Facebook hat Weichert zu einer öffentlichen Diskussion zum Thema eingeladen. Dafür aber reicht die „Streitbarkeit“ bisher nicht.

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Thomas Neye 26. Februar 2014 um 12:53

@Thomas Knüwer: Angesichts der sachlich sauber und neutral dargestellten Fakten ein Tipp: Wenn man überall von Idioten umgeben ist, sollte man gelegentlich mal bei sich nachsehen, ob noch alles in Ordnung ist.

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Nicolas Scheidtweiler 26. Februar 2014 um 16:40

Nicht nur der Weichert ist etwas merkwürdig, auch der Datenschützer von RLP, Edgar Wagner: http://www.scheidtweiler-pr.de/beschraenkte-ignoranten-deutsche-datenschuetzer/

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Sigmund 26. Februar 2014 um 20:22

Und inkompetente?

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Detlef Borchers 28. Februar 2014 um 14:14

Nur mal zur „Streitbarkeit“ der Hinweis: Gunnar Bender von Facebook war auf der Sommerakademie des ULD 2012 eingeladen und diskutierte munter mit. Ich schätze nicht alles von Thilo Weichert, z.B. die Zustimmung zur eGK, aber er ist einer der besten Datenschützer in Deutschland und hat mit seinem ULD herausragende Sachen angestoßen.

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Fundstücke der Woche (24. Februar 2014 – 02. März 2014) | Social Media und weitere Alltäglichkeiten 3. März 2014 um 16:25

[…] Mehr Informationen zu diesem Thema findet ihr auf Indiskretion Ehrensache. […]

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Meine Lesetipps: März mit 53 Links – Webdesign-Doll 7. März 2014 um 7:38

[…] Der Skandal Thilo Weichert: Es gibt sicherlich kaum ein größeres Ärgernis im digitalen Deutschland als Thilo Weichert, der Chef des angeblich unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz in Schleswig-Holstein. Die Zahl seiner absurden Forderungen und Zitate reicht inzwischen um Bücher zu füllen. – by Thomas Knüwer – https://www.indiskretionehrensache.de/2014/02/der-skandal-thilo-weichert/ […]

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