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Wenn demnächst einmal ein ach so geplagter Vertreter deutscher Medien darüber wehklagt, dass jenes böse Internet die Rechte nicht achtet, dürfen wir ihm wieder einmal ins Gesicht lachen. Denn wer Urheberrechte und Copyright nicht achtet – das sind bemerkenswert oft deutsche Verlage, wie wir heute wieder einmal breitflächig erleben dürfen.

Gestern Nacht wurde eine Sicherheitslücke bei Facebook bekannt. Wer das Foto eines Nutzers als sexuell anstößig meldete, dem wurden andere Fotos dieses Nutzers gezeigt – auch wenn diese unter der Sicherheitsstufe „Privat“ standen. Entdeckt wurde dies in einem Bodybuilding-Forum, doch so richtig die Runde machte die Geschichte, als ZDNet sie aufgriff. Bevor Facebook die Lücke schloss wurden jedoch die Privat-Fotos von Mark Zuckerberg abgesogen und beim Bilderdienst Imgur eingestellt. Facebook reagierte und beseitigte dies noch am Morgen deutscher Zeit.

ZDNet dokumentiert, wie sehr die Frage diskutiert wurde, ob man eines der Zuckerberg-Fotos zeigen will:

„We debated the photo selection and whether to run one at all. We initially posted the Obama-Zuckerberg and then went with a dinner party. We flipped back to the picture with the most public figures. Ultimately, we decided running the picture made sense.“

Solche moralischen Bedenken kennen deutsche Online-Medien eher selten. Sie basteln doch aus den Bildern Klickstrecken. Zum Beispiel Welt.de, Spiegel Online, Handelsblatt.com, Focus Online und – klar – Bild.de. RP-Online beschränkt sich auf ein einzelnes Bild, was bei diesem Klickstrecken-fixierten Angebot eine Überraschung ist.

Gleich auf zwei Ebenen ist dies verwerflich. Zuckerberg ist eine Person des öffentlichen Lebens, klar. Aber seine Freundin? Seine Freunde? Dieser Gedanke ist wohl zumindest Spiegel Online gekommen – die Hamburger beschränken sich auf Bilder des Facebook-Chefs. Ansonsten aber trampeln Deutschland Online-Journalisten fröhlich über jedwedes Persönlichkeitsrecht hinweg.

Doch dann ist da natürlich die Copyright-Frage. Erstaunlicherweise geben die Online-Medien als Quelle „Facebook“ an. Wir dürfen davon ausgehen, dass die Presseabteilung des Social Network nicht fröhlich die Bilder an eine Pressemitteilung gehangen hat. Somit aber liegt ein klarer Rechteverstoß vor: Das kleine C mit dem Kringel drum herum, liebe Online-Journalisten steht für „Copyright“. Und genauso wie kein normaler Mensch die von Euren Fotografen geschossenen Bilder einfach so übernehmen dürfte, gilt dies auf für Bilder auf Facebook und anderen Seiten. Und dieses „Andere Seiten“ bekommt hier ja eine weitere Bedeutung. Denn vermutlich haben die Redaktionen die Fotos ja nicht durch die Sicherheitslücke auf Facebook erhalten – sondern sie einfach aus Imgur geklaut.

Ja, es ist schlimm, dieses Internet mit all seinen Rechteverletzungen – begangen von deutschen Online-Journalisten.

Und es geht ja auch anders – das zeigen Zeit.de und Sueddeutsche.de. Ein wenig Medienkompotenz und Stil gibt es also doch noch im deutschen Online-Journalismus.

Nachtrag: Die BBC hat bei Facebook in Sache in Bildrechte nachgefragt. Antwort: „The BBC asked Facebook’s permission before publishing the photographs of Mr Zuckerberg. The firm said that as the pictures were now in the public domain it would not be pursuing copyright infringement claims.“ Auch weiterhin ist die Bildverwendung also nicht rechtens – aber Facebook wird die Sache nicht verfolgen. Wie das mit den Persönlichkeitsrechten von Zuckerbergs Freunden aussieht ist offen. (Danke für den Hinweis an Kosmar.)


Kommentare


Baranek 7. Dezember 2011 um 18:51

Person der Zeitgeschichte? Hebelt vieles aus, oder?

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Jens 7. Dezember 2011 um 19:11

@Baranek:
Inwiefern hebelt das das Urheberrecht respektive Copyright aus? Das würde doch nur greifen, wenn der Fotograf, der die Fotos gemacht hat, diese veröffentlichen will. Aber das erlaubt doch nicht, dass Fotos von Personen der Zeitgeschichte einfach „gemeinfrei“ werden. Das wäre ja absurd.

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teekay 7. Dezember 2011 um 21:13

Schoene Fazit von Lukas Heinser beim bildblog:
‚Über den deutschen Onlinejournalismus lehrt diese Geschichte zwei Dinge, die beide auf ihre Weise beunruhigend sind: Erstens sind Journalisten bereit, für eine knallige Story auf alle Persönlichkeits- und Urheberrechte zu pfeifen. Und zweitens ist es offenbar naiv anzunehmen, dass Menschen, die im Internet über das Internet schreiben, das Internet auch irgendwie bedienen können.‘
http://www.bildblog.de/35538/mark-zuckerberg-privat-2/

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Linkliste vom 08.12.2011 | Floyboy 8. Dezember 2011 um 10:05

[…] Ein ganz normaler Rechtsverletzungstag im deutschen Onlinejournalismus: Ja, es ist schlimm, dieses Internet mit all seinen Rechteverletzungen – begangen von deutschen Online-Journalisten. […]

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aran 8. Dezember 2011 um 10:08

Aha – und warum verlinkt Herr Knüwer die Fotos dann direkt in seinem Artikel in dem er sich über das Zeigen der Fotos bei anderen beklagt? Wird der Copyrightverstoß durch die bloße Darbietung eines Links direkt zum „gestohlenen“ Material kleiner – als wenn man die Bilder direkt im Layout zeigen würde? Praktisch gesehen ist die Anbietung des Links zu den Fotos bei Imgur doch genauso „schlimm“ wie das direkte Zeigen der Fotos, oder nicht Herr Knüwer??
Das kommt mir ein wenig scheinheilig vor alles…

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Schnutinger 8. Dezember 2011 um 10:48

Klasse & Danke.

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Oliver 8. Dezember 2011 um 10:54

Dass viele Journalisten, gerade auch im überfluteten Onlinebereich, nur auf eine gute Story aus sind und dabei gerne mal die Persönlichkeitsrechte verletzten, ist doch nun wirklich nichts neues.

Das ist aber letztlich auch auf die Leser zurückzuführen, die eben bevorzugt diese Stories lesen und diese Maßnahmen damit weiter fördern.

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Blogposting 12/08/2011 « Nur mein Standpunkt 8. Dezember 2011 um 11:31

[…] Die systematische Copyright-Verletzung deutscher Online-Medien […]

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Carsten Ulbricht 8. Dezember 2011 um 12:23

Das mit dem Recht am eigenen Bild ist hier natürlich so eine Sache. Nach § 23 Abs.1 Nr.1 KunsturhG muss Mark Zuckerberg als Person der Zeitgeschichte muss gewisse Fotos „hinnehmen“. Wenn diese aber aus einer entsprechenden Privatsphäre stammen (vorliegend durchaus denkbar) dürfen auch solche Fotos nicht ohne weiteres veröffentlicht werden.

Aus urheberrechtlicher Sicht wäre nach § 50 UrhG eine zulässige Veröffentlichung denkbar.

§ 50 UrhG lautet:

Zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film, ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig.

Zu dieskutieren wäre also, ob es sich bei dem Thema um ein entsprechend relevantes Tagesereignis handelt. Gegebenenfalls wäre – zumindest eine zeitlich limitierte – Veröffentlichung der Fotos aus urheberrechtlicher Perspektive denkbar.

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Markus Merz | Hamburg St. Georg 8. Dezember 2011 um 16:27

Das Tagesereignis ist ja wohl der Bug und nicht die „… Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, …“, sprich die einzelnen Privatfotos. Die „zeitlich limitierte Veröffentlichung der Fotos“ sollte zumindest verpixelt erfolgen. Besser, aber weniger klickträchtig, wäre eine damals (TM) übliche seriöse Ansage „Belege liegen der Redaktion vor“.

Widerlich.

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Christian Buggisch 8. Dezember 2011 um 20:21

Dein Lob der Süddeutschen kann ich leider nicht teilen. In der Print-SZ von heute war das Foto Zuckerberg mit Truthahn abgedruckt, Quelle: „privat“ … und ich hab mich gleich gefragt: Dürfen die das? Ich kann dir gerne das Bild davon schicken …

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Henning Krieg 9. Dezember 2011 um 9:35

@Carsten Ulbricht:

Carsten, guter Ansatz aber ich denke, auch mit dem Verweis auf § 50 UrhG käme man nicht wirklich weit bei einem Versuch der Rechtfertigung. Die Rechtsprechung tendiert da stark in die Richtung, dass ein urheberrechtlich geschütztes Werk (das ja auch nicht einfach so fotografiert werden darf) Objekt der Fotografie sein darf, wenn die Fotogroafie der tagesaktuellen Berichterstattung dient – Beispiel: Fotos einer Kunstausstellung. Nur in seltenen Fällen wurde § 50 UrhG bisher als Grundlage für eine Rechtfertigung akzeptiert, wenn es um den urheberrechtlichen Schutz der Verwendeten Bilder (bzw. dessen Aushebelung) geht.

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Linda 11. Dezember 2011 um 20:48

Journalisten vergessen ihren Kodex nun einmal ab und an, und in Zeiten des schnelllebigen Internets sowieso – da ist eine Meldung aktuell, und zwei Minuten später schon wieder eine andere.
Möglicherweise hoffen sie auf die Dynamik des Internets und das damit verbundene Übergehen (- und übersehen?), wenn sie der Einfachheit halber auf eine Beachtung der Persönlichkeits- und Urheberrrechte verzichten.

LG

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