Es gibt einen bemerkenswerten Wandel bei amerikanischen Sachbüchern: Sie werden immer besser geschrieben. Aus meiner Sicht galt bisher: Auf die Allgemeinheit zielende US-Sachliteratur (Fach- und Lehrbücher also außen vor) ist reicher an Gedanken, aber oft nur schwer zu lesen. Dies lag unter anderem an der amerikanischen Art journalistischen Schreibstils. Dieser enthält wesentlich mehr Redundanzen und unwichtige Fakten als der deutsche. Deshalb auch lassen sich die langen Reportagen in US-Magazinen wie „Time“ oder „Wired“ nur schwer nach Germany transferieren: Der Leser würde einfach aussteigen.
Nun aber habe ich über Weihnachten das vierte US-Sachbuch in Folge gelesen, dessen Stil mitreißend und schwungvoll war. Dessen Faktentiefe genau richtig lag (zumindest für meinen Geschmack), dessen Wortwahl Energie und Spaß an der Sprach ausstrahlte (dies mit Einschränkungen – dazu später) und das logisch im Sinne des Lesers konstruiert war: Nach „Life“ von Keith Richards, David Kirkpatricks „Der Facebook-Effekt“ und „Public Parts“ von Jeff Jarvis war es nun die Steve-Jobs-Biographie von Steve Isaacson.
Über das wohl erfolgreichste Buch 2011 etwas zu schreiben kommt mir etwas blöd vor – mutmaßlich haben es die meisten der Leser hier schon. Und wer nicht: kaufen.
Im Vorfeld war viel darüber geschrieben worden, dass Jobs keinen Einfluss auf das Werk genommen und Isaacson freie Hand gelassen habe. Oft genug ist solch eine Aussage natürlich PR-Geschwafel – im Fall von Steve Jobs definitiv nicht. Das Ausmaß negativer Geschichten über den Apple-Gründer ist so groß, dass es schwer fällt die angenehmen Seiten Jobs nicht einfach nur als Kosmetik zu betrachten, damit er nicht als vollständiger Tyrann und Unsympath dasteht.
Oder wie Isaacson schreibt:
„Er legte Wert darauf, auf brutale Weise ehrlich zu sein. ,Es ist mein Job, klar auszusprechen wenn etwas scheiße ist, anstatt es schönzufärben.‘ Dieser Zug machte ihn charmant und inspirierend, er machte ihn aber auch, um die Sache beim Namen zu nennen, bisweilen zu einem Arschloch.“
Die Direktheit über diesen Wesenszug gibt dem Buch ein hohes Maß an Authentizität. Gleichzeitig ist es hervorragend komponiert. Isaacson erzählt die erste Hälfte, ungefähr bis zum Verkauf von Pixar an Disney, eher chronologisch. Eine gute Wahl: Denn den meisten außerhalb der Tech-Szene dürfte Jobs zu dieser Zeit wenig bis gar nicht bekannt gewesen sein. Hätte Isaacson dies aber durchgehalten, wäre die Zeit von iPhone und iPad langweilig ausgefallen. Denn dies war die Ära, in der alles und jedes bei Apple in den Medien durchgekaut wurde, in der man das Gefühl hatte, alles zu wissen. Hier schaltet Isaacson nun auf Themengebiete um. Ein schwieriges Gebiet: Denn welche Anordnung die logische zu sein scheint, dürfte jeder Leser je nach Wissen und Interesse anders beurteilen. So war mir die Lücke zwischen dem Entstehen des iPhone und der Idee für den App-Store zu groß. Doch dies kann jemand anders auch völlig anders sehen.
Leider aber entschied ich mich, „Steve Jobs“ auf deutsch zu lesen. Ich lese gern englische Bücher, aber in deutscher Sprache deutlich schneller. Und da Sachbücher oft einen eher neutralen Schreibstil pflegen ist es mir recht egal, in welcher Sprache ich sie lese. Das aber war ein Fehler. Die Übersetzung wurde vom Verlag C. Bertelsmann bedingt durch Jobs Tod schnell zusammengeschustert. Gleich sechs Übersetzer werden genannt und so liest sich das Buch oft wie ein Flickenteppich. Der Stil verändert sich, das Wissen über die digitale Welt ebenso. Spätestens wenn von „Powerpoint-Dias“ die Schreibe ist, wissen wir: Dieser Übersetzer hat noch nie Powerpoint verwendet. Andere englische Begriffe werden durchgängig verwendet (was ich gut finde), aber nirgends übersetzt, genannte Unternehmen und Personen werden zu wenig in Zusammenhang gesetzt. All dies sind Aufgaben eines Übersetzers, der ein US-Buch für den deutschen Markt bearbeitet. Es bleibt die Hoffnung, dass C. Bertelsmann in weiteren Auflagen da massiv nacharbeitet. Derzeit aber ist die Übersetzung, um es mit Steve Jobs zu sagen, scheiße.
Also lieber die Originalausgabe. Wer sie erwirbt, erhält eine Biographie, die auch Nicht-Techies viel erzählt über die unterschiedlichen Philosophien der IT-Welt und über einen Manager, der weit mehr davon verstand, wie Produkte und wie Marketing im 21. Jahrhundert aussehen müssen als jeder andere seiner Generation. Auch, wenn er oft genug ein Arschloch war.
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Kommentare
Martin 27. Dezember 2011 um 12:18
Die Empfehlung für die Original-Ausgabe kann ich nur unterstützen. Ich hatte über die Feiertage Zeit, etwas in der deutschen Ausgabe zu lesen und hatte den Kaffee schon auf, als ziemlich am Anfang „silicon“ mit „Silikon“ übersetzt wurde. m(
ConnyLo 27. Dezember 2011 um 22:53
Hier nur ein Buchzitat (Seite 27), was die obige Bewertung unterstützt:
»Das erste Computer-Terminal sah ich, als mein Dad … … « sagte er. »Ich habe mich total in es verliebt«.
Da hatte es mich das erste Mal durchgerüttelt.
Ich verstehe, dass Übersetzungen aus dem Englischen manchmal schwierig werden. Da ist der schwülstige, redundante Stil zu vermeiden (SPON versucht es nicht einmal ansatzweise, wenn sie Beiträge aus dem Land der unbegrenzten Schreiberei eingekauft hat) und die vielen Partizipialsätze.
Ich finde es schade, dass Isaacson recht oberflächlich daher plaudert, anstatt mit persönlichem Interesse Bezüge zu anderen Personen nachzugehen, diese (über Steve) sprechen zu lassen.
Insgesamt wird mir zuviel auf die ständige Machtnummer herum geritten, wenn Steve mochte und wen nicht, wer fliegt raus, wer kriegt Druck usw. Na gut, ich habe das Buch noch nicht mal zur Hälfte durch.
Lars 28. Dezember 2011 um 12:25
Ich habe mir glücklicherweise die Zeit genommen, beide Versionen als Leseprobe auf meinen Kindle zu laden. Nachdem ich die Amazon-Bewertungen studiert und die ersten Seiten gelesen hatte, war klar, dass ich die englische Version kaufen würde. Es ist zum Teil ungeheuerlich, was die Übersetzer abgeliefert haben.
Da man sich die Kindle-App kostenlos auf den PC (oder MAC) laden kann, rate ich allen, sich die beiden Leseproben anzusehen. Die Entscheidung fällt dann wesentlich leichter.
Der Ruhrpilot | Ruhrbarone 29. Dezember 2011 um 9:18
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