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Viel lärmen und wüten war gestern um Facebook. Besser: Um die Ankündigung einer Gesichtserkennung. Künftig können Nutzer Fotos hochladen und Facebook verspricht ihnen Gesichter von bekannten Menschen zu erkennen und zu markieren. Die Grundeinstellung für die diese Funktion ist bei allen Nutzern auf „Ein“ gestellt worden – ohne Ankündigung.

Die Methode der Einführung ist nicht neu: Facebook kündigt wenig vorab an, sondern macht einfach. Die schlichte Denke dahinter: Wen es stört, der wird’s schon merken und sich melden. Ist der Widerstand in der Kundenschaft zu groß, rudert Facebook dann aber auch konsequent zurück. Dieses Vorgehen ist nicht schön – sichert aber durchaus Fortschritte in die Richtung ab, die Facebook langfristig für richtig hält.

Nun ist Facebook kein Joghurt-Hersteller, der eine neue Geschmacksrichtung einführt, sondern ein Unternehmen, dem seine Nutzer oft sensible Daten anvertrauen. Hoch sensibel dürfte allerdings das wenigste sein. Menschen nutzen Social Media meist so wie sie Auto fahren: Außerhalb von Ortschaften 20 km/h zu schnell – das kostet zwar Geld, bringt aber keine Punkte in Flensburg.

Doch selbst auf einem niedrigen Sensibilitätsstatus mögen wir einem Arschloch nicht wirklich vertrauen. Und Facebook verhält sich oft wie ein Arschloch. Aber eben eines, das ein verdammt nützliches Instrument sein eigen nennt – weshalb wir trotzdem mit ihm Geschäfte machen. Nur: Gern tun wir das nicht, weshalb in Marken-Rankings Facebook selten vorne auftaucht.

Mark Zuckerberg dürfte das egal sein. Er weiß, wie nützlich Facebook ist (zu diesem Thema sei nochmal hingewiesen auf das exzellente Buch „Der Facebook Effekt“ von David Kirkpatrick).

Und auch die Gesichtserkennung ist ein nützliches Instrument – weshalb das Verteufeln zwar leicht ist, ein genaueres Hindenken aber angebracht wäre.

Die Frage ist: Werden durch die Gesichtserkennung Fotos von Menschen hochgeladen, nur um zu schauen, ob Facebook ein Gesicht erkennt? Kurzfristig sicherlich: Die Neugier wird viele Menschen zum testen treiben. Langfristig? Unsicher.

Denn die Bilder werden ja nicht stumm markiert. Derjenige, der markiert wird, erfährt davon. Die größte Angst der Gesichtserkennungs-Gegner ist das Stalking. Da macht jemand (vorzugsweise männlich) ein Foto von einer anderen Person (vorzugsweise weiblich) und weiß dann, wer dies ist. Aber wird er das tatsächlich tun, wenn diese Person davon erfährt? Wenn sie mitbekommt, dass er sie fotografiert hat? Ich behaupte: Es wird Fälle geben – doch die meisten werden eher vermeiden, dass ihr potenzielles Opfer weiß, wer da zur Verfolgung ansetzt.

Somit hat die Gesichtserkennung auch einen positiven Effekt: Wir erfahren, wenn Fotos von uns auf Facebook auftauchen. Und bitteschön: Das ist wirklich kein geringer Vorteil, sondern ein großer.

Allerdings wird eine wichtige Frage sein: Wie gut ist die Gesichtserkennung denn tatsächlich? Es gibt etliche Fotobearbeitungsprogramme, die eine solche Erkennung schon installiert haben. Meine Erfahrung ist: Sie funktioniert nicht. Vielleicht haben Leser ja andere Erfahrungen gemacht? Die Gesichtserkennung ist ja auch so was wie der heilige Gral der Sicherheitstechnik – recht gelöst hat sie bisher niemand.

Was also passieren könnte ist eine Flut von Markierungen, bei denen es sich gar nicht um die bestimmte Person handelt. Auch blöd.

Es wird spannend sein zu beobachten, ob und wie Facebook auf die Nutzerproteste reagiert. Ich persönlich bin ebenfalls gegen eine Einführung der Gesichtserkennung. Nicht, weil es sich um Facebook handelt – sondern weil eine flächendeckende Einführung solcher Dienste die eigentliche Gefahr ist. Eine Verbindung von Gesichtserkennung und Google – davor sollten wir wirklich Angst haben. Natürlich gibt es die längst, die Bilderkennung Google Goggles hat eine Gesichtserkennung startbereit. Doch sie ist noch nicht freigeschaltet – weil Google Angst vor Protesten der Nutzer hat. Es wäre gut, bliebe diese Angst erhalten.


Kommentare


Martin Böhm 8. Juni 2011 um 8:17

Wichtig wäre anzumerken, daß „die Gesichtserkennung“ immer eingeschaltet sein wird.

Das einzige, was man deaktivieren kann, ist: daß man selbst und seine Freunde davon erfahren, wenn Facebook glaubt, einen auf einem Foto erkannt zu haben.

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Sebbi 8. Juni 2011 um 8:27

Wie soll denn dieses stalken funktionieren wenn eh nur Freunde erkannt werden? Toll wäre so ein fremd-erkennungs-Feature wohl für selbstvermarkter … Handy drauf und zack weiß man wer da bei der konferenz so nervig ist 🙂

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Sven 8. Juni 2011 um 8:27

Wenn ich das richtig verstanden habe wiicht stumpf markiert,sondern vorgeschlagen, das muss dann schon noch mal bestätigt werden. Insoweit sehe ich da wenig Gefahr. Die Schwierigkeit bei dem Dienst liegt imo eher in den vielen Leuten, die auf jeden Scam- und Wurm-Link klicken, der sich anbietet und dann munter die Freundesliste durchmarkieren konnte, weil irgend ein Allerweltsgesicht genutzt wird um die halbe Freundesliste zu „erkennen „, weil, wie du korrekt sagst,automatische Gesichtserkennungen noch immer grottig funktionieren

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Sven 8. Juni 2011 um 8:28

Wiicht sollte „wird nicht“ heißen 🙂

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Billo Heinzpeter Studer 8. Juni 2011 um 8:40

Danke für den Hinweis!
Was die Hemmung möglicher Stalker vor dem Erkanntwerden betrifft: Facebook lässt ja auch Fake-Profile zu, ein Stalker kann sich problemlos dahinter verbergen. Ein Grund mehr, sich gegen die automatische Gesichtserkennungs-Funktion zu wehren.

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Martin Weigert 8. Juni 2011 um 8:57

„Die größte Angst der Gesichtserkennungs-Gegner ist das Stalking. Da macht jemand (vorzugsweise männlich) ein Foto von einer anderen Person (vorzugsweise weiblich) und weiß dann, wer dies ist“

Da diese Funktion nur für die eigenen Freunde gilt, ist dieser Punkt hinfällig. Facebook zeigt mir bei einem Zufallsbild von Menschen auf der Straße also nicht einfach an, wer diese Personen sind (auch wenn es technisch natürlich überhaupt kein Problem wäre).

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Martin D. 8. Juni 2011 um 9:39

Kurze Erfahrung zu der Gesichtserkennung in iPhoto: Das funktioniert erstaunlich mittelmäßig, selbst wenn viele Bilder der selben Person vorliegen (aus unterschiedlichen Winkeln) und die Menge an zu erkennenden Personen klein ist (ok, bei Facebook wird man auch in dem nahen sozialen Graphen des Uploaders suchen).
Derzeit ist das ganze für mich nur zur Beschleunigung des Vorgangs „Bilder taggen“ zu gebrauchen.

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Marnem 8. Juni 2011 um 10:08

Das größte Problem ist nicht stalking, sondern mal wieder die Nutzung, die jedem von uns schaden kann. Nicht umsonst haben viele Facebook-Nutzer „anonyme“ Accounts, d.h. sie geben sich Phantasienamen, so dass man sie ohne von den Nutzern über den Phantasienamen explizit informiert zu werden nicht finden kann. Die Gesichtserkennung macht dies jetzt natürlich hinfällig, wenn mir Facebook zum Foto den Phantasienamen anzeigt. Für Personaler sicher sehr hilfreich 🙁

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iamneopunk 8. Juni 2011 um 10:34

@Marnem: Wie Herr Weigert schon richtig erkannt hat, funktioniert diese Erkennung nur für Fotos von Leuten, die man bereits als Freund geaddet hat. Also am besten einfach nicht die Personaler als Freund hinzufügen und schon gibt’s das Problem nicht mehr 😉

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Korsarin 9. Juni 2011 um 8:52

Indem Millionen menschlicher Beta-Tester die von der Software grob zugeordneten Bildern bestätigen oder ablehnen, „lernt“ die Software, ein Gesicht so nach und nach auch unter ungünstigen Lichtbedingungen, im Halbprofil o.ä. zu erkennen. Die Datenmasse machts. Und die Verknüpfung von Gesicht mit den ganzen Lebensdaten und Beziehungen in Facebook könnte langfristig dazu führen, dass man diese Verbindung nicht mehr lösen kann (um z.B. in einem BDSM-Forum unter einem Fantasienamen Fotos einzustellen). Facebook betreibt nicht die sicher sehr teuer Software und hortet auf teueren Servern derartige Datenmengen, wenn sie nicht vorhätten, damit einen Riesen-Reibach zu machen. Und wer die Gesichtsdaten alles kaufen wird? Keine Ahnung – vom Sicherheitsdienst über die Bank bis zu Regierungen? Auf jeden Fall sind die Datenpakte dann FÜR IMMER verfügbar und können von jedem gekauft werden. Finde ich persönlich zutiefst unangenehm. Meinen Namen kann ich ändern…mein Gesicht nicht.

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Der Ruhrpilot | Ruhrbarone 9. Juni 2011 um 9:28

[…] Internet: Die Zweischneidigkeit der Facebook-Gesichtserkennung…Indiskretion Ehrensache […]

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Robert 9. Juni 2011 um 14:50

Die Windows Live-Gallery hat auch eine solche Gesichtserkennung – aber ausschliesslich offline (hoffe ich).

Die Trefferquote für die Entscheidung „Person abgebildet“ liegt bei gefühlten 99% (Wenn man z.B. einen Hund frontal fotografiert erkennt die Software das auch manchmal als Gesicht). Die Zuordnung zu bereits „bekannten“ Gesichtern ist beängstigend genau, egal ob da eine Person frontal oder im Profil auf den Bildern zu erkennen ist.

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Was Sie verpasst haben: Kurzpässe aus KW19 | SMO14 – New Media Excellence 10. Juni 2011 um 9:05

[…] Auch Thomas Knüwer äußert sich zum Thema: Zum Beitrag […]

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Dominic 10. Juni 2011 um 18:48

Natürlich eröffnet eine Technik wie die Gesichtserkennung Möglichkeiten, die Datenschutztechnisch als kritisch zu betrachten sind, jedoch werden bei diesem Thema von verschiedensten Kritikern mal wieder Horrorszenarien („Spanner-szenario“) in die Welt gesetzt, die so natürlich nicht zutreffend sind (ob aus tatsächlicher Unwissenheit oder grobem Kalkül bleibe mal dahingestellt).

Beim Thema Fotos taggen gibt es meiner Meinung nach aber zumindest einen Konzeptionellen Fehler, der facebook vorzuhalten ist. Und zwar dass man benachrichtigt wird wenn man auf einem Foto verlinkt wurde und sich falls einem das nicht gefällt selbst darum kümmern muss, diese Verlinkung schnellstmöglich wieder verschwinden zu lassen. Hier ging studiVZ den meiner Meinung weit sinnvolleren umgekehrten Weg (meiner Meinung nach übrigens einer der wenigen Vorteile von StudiVZ gegenüber facebook). Hier wurde man benachrichtigt, das ein Freund einen auf einem Foto verlinken möchte und konnte dem dann zustimmen oder es auch einfach direkt ablehnen, so das nie irgendjemand diese Verlinkung zu sehen bekam.

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Duri 12. Juni 2011 um 13:41

Wie ein Kommentator bereits gesagt hat, wird nur vorgeschlagen, eine bestimmte Person aus dem FB-Freundeskreis, die erkannt wurde, zu taggen. Aus meinen Erfahrungen kann ich sagen, dass die Trefferquote ziemlich gut ist. Gerade wenn ich ein Album erstelle, bei dem mehrere Personen sehr oft vorkommen, ist es nuetzlich, denn ich muss sie nicht mehr einzeln taggen, was oft nervig ist.
Insofern ist der Satz „Was also passieren könnte ist eine Flut von Markierungen, bei denen es sich gar nicht um die bestimmte Person handelt.“ hinfaellig weil wie gesagt, der Foto-Uploader doch meistens genau weiss, welche Personen auf seinen Fotos auftauchen.
Der Satz „Da macht jemand (vorzugsweise männlich) ein Foto von einer anderen Person (vorzugsweise weiblich) und weiß dann, wer dies ist.“ ist genauso hinfaellig, denn markieren kann man nach wie vor nur seine eigenen Freunde.
Die Gesichtserkennung bei Picasa gibt es schon seit 2008 und kein Schwein hat sich beschwert. Die Nutzerproteste ist so gut wie nicht vorhanden. Keine Ahnung wovon Sie sprechen, aber im Rest der Welt ist die Gesichtserkennung seit nem halben Jahr gelaunched.

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Die Woche in Social Media (KW 23/2011) | SocMed.de – Social Media Blog 13. Juni 2011 um 17:29

[…] monieren Gesichtserkennung (Heise). Der ein oder andere erkennt das Potential dieses Tools (IndiskretionEhrensache)Facebook gesteht Kommunikationsfehler bei Gesichtserkennung ein (W&V). Weiter geht es […]

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