Der schlimmste Satz, den Marketing-Entscheider in diesen Tagen gegenüber Untergebenen aussprechen lautet: „Wir müssen auf Facebook“. Das ist so wie mit der Homepage in den 90ern. Jeder wollte eine haben, keiner wusste was damit anzufangen. So ähnlich ist das heute mit Facebook. Die Forderung „Wir müssen da rein“ wird nur höchst selten gekontert mit der Frage „Und was machen wir dann da?“
Recht unvorbereitet rennen viele dort hinein. Ihr einziger Erfolgsmaßstab ist dabei die Zahl der Fans. Und das ist ein Fehler. Zum einen, weil Facebook-Statistiken ja weit detaillierter sind (mehr dazu auch hier). Sie lassen sich von den Administratoren der Seiten ja sogar als Excel-Datei rausziehen.
Zum anderen, und das ist noch wichtiger, weil Facebook mit der Einführung von Top- und Status-Meldungen Unternehmen das Leben schwerer gemacht hat. Je mehr Freunde ein Nutzer hat, desto sinnvoller sind jene Top-Meldungen, die durch einen nicht bekannten Algorithmus gefiltert werden. Das ist gut so. Nur basiert dieses Rechenwerk eben auch maßgeblich auf der Interaktion des Nutzers mit Freunden. Kontakte, mit denen eine Person keine Informationen austauscht, bei denen er nichts liked, die er nicht auf Fotos markiert oder irgendetwas anderes tut – die rutschen in den Hintergrund.
Und nun sind wir bei Marken.
Die haben eine wesentlich wichtigere Aufgabe, als nur Fans einzusammeln. Sie müssen mit ihnen nun Interaktion erzeugen. Doch das kann verdammt schwer sein, je nach Marke und Produkt. Sicher, Starbucks hat es einfach, weshalb die Homepage der Kaffeekette 1,8 Millionen Besucher im Monat zählt – die Facebook-Seite jedoch 19,4 Millionen. Doch je seltener ein Produkt im täglichen Leben auftaucht, je weiter es entfernt ist vom Alltag der Menschen – desto wahrscheinlicher ist es, dass die Interaktion mit dem Kunden sinkt.
Ein allgemeingültiges Rezept des Aktions-Dopings gibt es nicht. Gewinnspiele könnten so etwas sein. Doch auch die werden ja schwieriger. Einerseits besteht eine große Unsicherheit über die Gewinnspielrichtlinien Facebooks. Die untersagen eigentlich die Nutzung von Zentralfunktionen sowie die Kontaktierung der Gewinner via Facebook. Andererseits nutzt das Schuhhaus Görtz seit einiger Zeit aber das Fotomarkieren für seinen „Style Flash“ – was auch bedeutet, dass Gewinner nur via Facebook von ihrem Sieg erfahren können. Auch der geschätzte Alex Wunschel wundert sich in seinem Podcast „Blick über den Tellerrand“ (der hiermit einfach mal extremst empfohlen sei) darüber. Gilt also „Wo kein Kläger, da kein Richter“? Und die Ehrlichen sind die Dummen?
Doch diese Gewinnspiele sind aus einem weiteren Grund schwierig. Um so richtig viral steil zu gehen (und das ist ja der feuchte Traum vieler Marketing-Manager) soll auch noch über Gewinner abgestimmt werden. Das hat fast immer zwei Folgen: Es wird betrogen und es wird eifrig darüber debattiert, dass betrogen wird.
Wer mehrere Gewinnspiele auf Facebook so veranstaltet, dem begegnen immer die gleichen Teilnehmerinnen (und in diesem Fall sind es größtenteils Frauen). Ihr Leben dreht sich massiv um Online-Gewinnspiele. Sie wissen sehr genau, wie sich eine solche Abstimmung manipulieren lässt, die meisten haben ordentliche Zahl gefälschter Profile, die noch dazu leicht erkennbar sind: Diese Profile enthalten meist kein Foto und haben nur ein, zwei Kontakte.
Diese „Gewinnspiel-Mafia“ (Titulierung eines Digital-Marketers) zeichnet sich nicht nur durch Betrugswilligkeit aus, sondern auch durch gegenseitige Anschuldigungen, dass ein anderes Mitglied dieses Kreise definitiv betrüge. Das klingt absurd und ist es auch. Immerhin: Es füllt Facebook-Pinnwände – leider aber nicht so, wie sich das die Marketing-Abteilung wünscht.
Diese Zusammenhänge sollte im Kopf haben, wer eine Marken-Facebook-Seite betreibt: Es sieht alles so einfach und billig aus. Tatsächlich aber reden wir hier über Menschen, die Marken in ihr Leben lassen. Das werden sie nur tun, wenn diese Marken dauerhaft interessant, kommunikativ und unterhaltsam sind. Und das zu sein ist alles andere als einfach – und erst recht nicht ohne Investment zu bekommen.
Kommentare
Björn-Lars Kuhn 4. Mai 2011 um 19:00
Ist schon gekonnt der Vergleich mit der Homepage von damals: keiner hat Ahnung, aber der Kumpel aus dem Golfclub ist immer mit dem Handy zugange, auch während dem Spiel. Drauf angesprochen murmelt der was von Facebook und Twitter…
Also ist die Marschrichtung klar: Wenn der Günni das hat, brauchen wir das auch. Blöd ist, wenn man nicht dran denkt, dass der Günni 5 Filialen für trendy Mountainbikes betreibt und man selbst jedoch in der Branche tätig ist, die Angehörigen helfen ihren Verlust unter die Erde zu bekommen.
Ob Marke oder nicht; viele Unternehmer oder Unternehmen machen sich keine Gedanken über das wie und warum. Wenn dann der Marketing-Igel tönt, dass man da mal eben eine Ladung Artikel bewerben kann, dann wünschte ich, mir wäre als Externer ein Verweis auf die Neubesetzung der Stelle möglich.
Social Media klingt so nach ‚Geiz ist geil‘ und wir sind ja alle irgendwie befreundet und haben uns lieb. Aber das daraus auch Verantwortung entsteht, verstehen viele nicht. Und dass solche ungeplanten Aktionen auch ganz schnell nachhaltig negative Folgen haben kann, zeigt ja selbst die Käufermacht bei etablierten Fan-Pages, vor allem bei politischem Antrieb. Vgl. Shell, Greenpeace oder die Parteien.
Und danke für den Tipp mit den Gewinnspielen; das war mir bis jetzt neu.
epapa100 4. Mai 2011 um 21:19
Kenne die Situation. Frage mich allerdings, wie man auf die Aussage „Starbucks hat es einfach“ kommt. Vom Geschäft und Produkt her doch eigentlich gar nicht. Hätten die 1 mio Facebook Fans, würde sich niemand wundern, warum die nicht mehr haben. Bei den allermeisten Brands sind die Zahlen HP-Besucher vs. Fans im eher umgekehrten Verhältnis.
Christian Faltin 5. Mai 2011 um 10:15
Ein treffende Bestandsaufnahme: Tatsächlich fällt vielen Firmen derzeit außer Gratisaktionen (werde Fan und bekommen einen Burger umsonst), Gewinnspielen (werde Fan und gewinne eine xyz), Aktivierungsaktionen (sammle möglichst viele Unterstützer auf FB und nehme an einem attraktiven Event teil) und Mitmachaktionen (Schick uns Dein Foto, Video etc. und gewinne xyz) derzeit relativ wenig ein. Vielleicht noch Namen der Facebook-Fans auf Produkten zu verewigen (z.B. Porsche, Nivea). Wirklich charmante, längerfristige Projekte sind selten, weil sie nur schwer dauerhaft mit Marken oder Produkten in Verbindung gebracht werden können.
Ein Projekt, dass mir persönlich derzeit gefällt (auch weil ich den Autor persönlich kenne) ist „Deutschland umsonst“: Eine Reise durch unsere Republik – zu Fuß und ohne Geld (https://www.facebook.com/Deutschland.Umsonst?sk=wall). Da kann das Social Web mal zeigen, wie social es ist.
Blogposting 05/06/2011 « Nur mein Standpunkt 6. Mai 2011 um 11:30
[…] Die Facebook-Herausforderung […]
Fundsachen Facebook 13.05.2011 | Verzeitlichung 13. Mai 2011 um 6:12
[…] Die Facebook-Herausforderung: „Wir müssen auf Facebook!“ Und wenn alle dort vertreten sind, wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben. […]
Queen of Home 28. Februar 2013 um 13:44
[…] https://www.indiskretionehrensache.de/2011/05/facebook-marketing/ […]