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Als Deutschland Fußball-Weltmeister spielte ich mit meinem besten Freund Markus im Sandkasten. „Wir sind Weltmeister!“, rief meine Mutter hinüber und ich antwortete: „Erster oder zweiter?“. Das war 1974 und ich war 5. Extra für die WM hatte ein weißer und für die damalige Zeit eleganter Farbfernseher den Weg in unser Wohnzimmer gefunden – vorher gab es nur schwarz-weiß.

Ungefähr drei Jahre später bekam ich einen grauen Kasten geschenkt, der auf diesen Fernseher zwei weiße Balken und ein kleines Quadrat zauberte: Pong, das erste Videospiel. Drei, vier Jahre später bohrten die eckigen Joysticks des Atari VCS-Systems Schwielen in meine Hände. 1984 folgte der Commodore 64 (der übrigens möglicherweise bald neu aufgelegt wird). Langsam entfernte sich die Optik von Klötzchen, denen die Fantasie Figuren und Gerätschaften zuordnete.

Meinen ersten PC bekam ich irgendwann früh im Studium, vielleicht so um 1990 herum. Zwei Jahre später nutzte ich zum ersten Mal das Internet, rein textbasiert natürlich, auf den Monochrome-Monitoren des PC-Pools am wirtschaftswissenschaftlichen Fachbereich der Uni Münster. Was für ein Unterschied zum dem, was ich im Sommer 1993 in einem Wohnheim der Uni Berkeley, dem International House, nutzen konnte: Jede Menge Rechner, wahlweise Windows oder Apple,  und alle online – ich kommunizierte mit Freunden auf der anderen Atlantik-Seite. Es brauchte ein halbes Jahr – aber 1994 war ich auch daheim online.

20 Jahre zwischen dem Farbfernseher und dem Online-Zugang. 20 Jahre, die mich und meine Generation prägten. Der Mensch ist fasziniert vom Nicht-Alltäglichen. Sicher, es gibt auch Personen, die das Alltägliche hochspannend finden – doch gemeinhin begeistern wir uns besonders für das Nicht-Besondere. Kein Wunder: Viele Gerätschaften, die wir nutzten überstiegen das, was sich die Science-Fiction-Autoren unserer Jugend einst erträumten.

Und deshalb ist meine Generation bis hin zu den heute Endzwanzigern fasziniert von der Technik. Das zeigt sich auch an den IT-Gründern der vergangenen Jahre: Egal ob Mark Zuckerberg, Lars Hinrichs, Brin & Page oder Dennis Crowley: Sie alle denken von der technischen Seite her um Probleme zu lösen.

Das unterscheidet sie von der folgenden Generation, die sich jetzt im späten Teenageralter oder darunter befindet: Sie wird fasziniert sein vom Inhalt. Und deshalb glaube ich: Wir stehen vor einem Zeitalter, in dem Inhalteproduzenten so wichtig und schillernd und gefeiert werden wie heute Apple oder Google.

Denn für jene junge Generation ist der technische Fortschritt nicht so faszinierend wie für ihre Vorgänger: Sie sind ihn gewohnt. Das scheinbar verbrannte Geld der New Economy sorgte doch dafür, dass mit dem Jahrtausendwechsel die Innovationsgeschwindigkeit im digitalen Bereich rasant zunahm. Zunächst im Hintergrund mit schnelleren Chips, billigerem Speicher und besseren Datenleitungen – dann in Form von Produkten: 2005 die Xbox36 mit Xbox Live, 2007 das Iphone, 2010 das Ipad. Während sich die Innovationsgeschwindigkeit in meiner Jugend langsam erhöhte, ist sie nun stetig hyperrasant. Meine Generation hat die Kelle des Innovations-Hockeysticks erlebt – die nachfolgenden den eigentlichen Stick.

Die jüngeren sind gewöhnt an dieses Technik-Tempo. Es wäre nur logisch, wenn sie deshalb Technik-Neuerungen als nicht so faszinierend empfinden. Das bedeutet nicht, dass niemand mehr von ihnen programmiert und bastelt und frickelt: Nur werden es eben deutlich weniger sein.

Für sie ist etwas anderes fasznierend, weil es stetig an Tempo zunimmt: die Erstellung von Inhalten.

Wer das gut beherrscht findet heute sein Publikum ohne, dass er sich an Großunternehmen verkaufen muss. Er kann das weiterhin tun – aber er muss es eben nicht. Die Arctic Monkeys waren bereits so groß geworden, dass sie beim Aushandeln des ersten Plattenvertrags die Bedingungen diktieren konnten. Amanda Hocking dürfte mit ihren Vampir-Romanen ohne Buchvertrag und nur dank E-Reader zur Millionärin geworden sein. Herr Tutorial ist der Nummer-Eins-Guru bei Youtube. Teenager-Mode-Bloggerin Tavi Gevinson ist ein Liebling der Fashion-Industrie. Und vergessen wir auch nicht die aktuelle Youtube-Hysterie um Rebecca Black, die eher so nichts so gut singende Teenagerin mit ihren aktuell 86 Millionen Youtube-Abrufen.

Diese Generation nutzt die Erzeugnisse der Technik-Begeisterten. Sie produziert ohne viel Mitteleinsatz dank billiger Videokameras, schneller Datenleitungen und günstigen Laptops, Youtube, Facebook und Blog sind die Online-Instrumente ihrer Arbeit.

Nun mag so mancher jammer: „Aber die können davon doch nicht leben.“ Was vielleicht stimmen mag – aber die falsche Diskussion einleitet. Wer kreativ war, tat dies noch nie, um reich zu werden. Es geht niemand auf eine Kunstschule um ein paar Jahre später einen Porsche zu fahren. Bands gründen sich nicht, um das Konto zu füllen – sondern um Musik zu machen. Das Nicht-Verdienen gehört dabei fast zur Attitüde und hält niemand davon ab, kreativ zu sein. Oder um Keith Richards aus seiner großartigen Biographie „Life“ über die Anfangstage der Rolling Stones zu zitieren: „In jener Zeit schien uns Armut als unverrückbare Konstante.“

Diese kommende Generation wird vieles verändern. Sowohl im Bereich der Künste wie im Journalismus. Denn auch dort wird sie sich austoben. Dabei zählt die Produktion originärer Inhalte genauso zum Repertoire wie die Auswahl und Filterung dessen, was andere erschaffen.

Wir könnten vor einem Zeitalter der Inhalte stehen. Einer Blüte von Kunst, Kultur und Journalismus. Es beginnt schon heute, ganz langsam. In fünf bis zehn Jahren aber wird es erst so richtig losgehen.


Kommentare


Olaf 6. April 2011 um 17:48

Hallo Thomas,

wenn wir uns die Explosion der Blogs und die Anzahl der Videos auf YT anschauen, ist Deine Schätzung von 5-10 Jahre zu pessimistisch.

Die Menschen, die heute so um die 15 Jahre alt sind haben ein viel höheres kreatives (digitales) Potential als unsere Generation (35-45J.).

Im Moment experimentieren Sie noch mit ihren iPhones und den entsprechenden Videos, spielen eine Menge, tauschen sich aus und teilen sich mit über Facebook.

Wie hieß die rothaarige kleine Dame noch, die euren Award gewonnen hat? Davon wird es zukünftig zu jedem Thema noch mehr in dem Alter geben.
Oder der junge Kerl, der die iPhone Videos macht?

Vielleicht hat in zehn Monaten ein 20-jähriger genug Mut (oder Wahnsinn) in sich aus Syrien undercover zu berichten.

Du hast Recht wir stehen vor einem Zeitalter der Inhalte, aber ich denke auch, dass es schneller passieren wird als 5-10 Jahre und auch das unsere Freunde von den Holzmedien noch schneller sterben werden als ihnen lieb ist.

In diesem Sinne einen sonnigen Abend.
Olaf

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teekay 6. April 2011 um 19:45

Ein interessanter Beitrag, Thomas. Ich bin immer etwas skeptisch, wenn man Zukunft als lineares ‚heute, nur schneller/mehr etc.‘ sieht. Gerade bei Jugendlichen steht neben kreativer Entfaltung ja auch immer kulturelle Abgrenzung im Vordergrund und ich weiss nicht, wie das in der Zukunft wird. In der ‚Zukunft‘ sind Eltern ja auch medienaffiner, und dieser Moment, wo der 8jaehrige Tim seinen Eltern den Videorekorder erklaert wird vielleicht nicht mehr wieder kommen. Nimmt das Interesse an YouTube ab, wenn 2-3 Generationen der Familie es selbstverstaendlich benutzen? Die ‚Bluete der Kuenste‘ klingt aehnlich euphorisch, wie jemand, der vor 15 Jahren eine ‚Bluete der Demokratie‘ durch das Internet voraus gesagt hat…heute bleiben eben viele ‚ja, aber…‘ Qualifizierungen. Ich stimme Dir zu, und ich habe gerade ‚Thank You Economy‘ gelesen, dass die grossen Konzerne, Verlage etc. sich umschauen werden. Aber dann schaue ich quasi aus dem Fenster und sehe die kanadische Kleinstadt in der ich lebe. Zum einen gibt es hier mehr kuenstlerische Aktivitaeten als vor 10 oder 20 Jahren-aber vieles ist einfach mal nicht so dolle-online oder offline. Ich sehe aber auch, dass viele juengere Leute eher ‚retro‘ leben…Laden aufmachen, Brot backen, oekologischen Gartenbau betreiben. Natuerlich veranstalten die dann auch mal einen Gitarren-Schreddel-Abend in ihrem Cafe, aber tagsueber verlegen sie Fliesen und liefern Brot auf dem Fahrrad aus. So wie man heute vielleicht Kulturwissenschaften studiert um sich von Vater Rechtsanwalt oder Mutter Lehrerin (oder Buerokauffrau/-mann usw.) abzugrenzen werden in 10 Jahren vielleicht wieder mehr Moebelschreiner ausgebildet um sich von Vater Unternehmensberater und Mutter Ebay-Powersellerin abzugrenzen. Auf jeden Fall wird es mehr Moeglichkeiten geben sich zu entfalten. Was natuerlich auch noch hinzu kommt ist, dass in der Zukunft mehr fitte ‚Alte‘ da sein werden deren Einfluss man schwer abschaetzen kann…vielleicht wird dann fuer die on demand eine Zeitung ausgedruckt und geliefert und kostet eben 100 Euro im Monat? Aber das ist ein anderer post ;)…

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Neue Technik oder nicht 6. April 2011 um 23:49

Mit Graswurzel-Journalismus ist kaum zu rechnen. Wie viele Erfolge kann Bild-Bürger-Reporter vorweisen ? Die Liste von der taz ist vermutlich sogar länger. Da kann (konnte ?) man Themen vorschlagen.

Die Presse in Diktaturen bzw. Demokraturen erfüllt ihre Aufgabe schon ewig kaum noch. Blog-Berichte zu bestimmten Themen haben oft einen engeren Blickwinkel, sind aber ehrlicher und informativer als Jubel-Journalismus oder Partei-Postillen.

Beispiel aus der einzig wahren allerbesten Demokratie: „Gesundheit 5% teurer.“ „Rössler neuer FDP-Chef“ in den letzten zwei Tagen.
„Gesundheit 5% teurer. Deswegen R…r unpassend für eine wahrhaft wirtschaftliche Partei.“ ist wohl zu viel logischer Qualitäts-Leistungs-Denkaufwand für Leute mit Diplom. Als kleiner Delegierter darf man sowas in Diktaturen nicht äußern ohne das einem „Männer- und Alkohol-Geschichten“ vom Parteigeheimdienst nachgeforscht wird. Also müsste die Presse das machen: Alle Kandidaten auflisten und ihre Heldentaten sowie Verfehlungen auflisten.

Pseudo-Presse und Pseudo-Demokratie fördern sich gegenseitig in der Stärkung des Pseudotums bis 99% Pseudokratie und Jubelpresse existieren.
Daher müsste man den Anfängen wehren… . Während Nieten und Parasiten ständig das Fundament anknabbern. Viele Länder sind auch nicht besser als die Bau-Ruinen aus dem TV.

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Blogposting 04/07/2011 « Nur mein Standpunkt 7. April 2011 um 11:22

[…] Das Zeitalter des Inhaltes […]

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Linksammlung vom 08.04.2011 | Lifestream 8. April 2011 um 11:27

[…] Das Zeitalter des Inhaltes This entry was posted in Links and tagged technik. Bookmark the permalink. ← Eine Zeitmaschine – aus einem DeLorean? LikeBe the first to like this post. […]

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Reinhard Bimashofer 12. April 2011 um 21:22

„Wir könnten vor einem Zeitalter der Inhalte stehen. Einer Blüte von Kunst, Kultur und Journalismus.“ Schon für diese beiden Sätze lohnte es sich, die Zeilen zu lesen. Das ist positiv und logisch. Wir brauchen Erbauung und Hoffnung. Wir brauchen konstruktive Begleitung durch wirkmächtige Verantwortungs- und Servicemedien. Alles andere ist nicht nur nutz- sondern auch wertlos.

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Fibi 12. September 2011 um 8:53

Das sehe ich genau so wie Reinhard, ein seh schöner Beitrag. Übrigens sehr witzig mit den Projekt C64 – hehe

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# dominik schmidt – Lesestapel: Neue Medien überall und der streitbare Knüwer 2. Juli 2013 um 17:19

[…] streitbare Thomas Knüwer sieht das Zeitalter der Inhalte angebrochen. Nach den rasanten technischen Entwicklungen des letzten Jahrzehnts, wird sich die […]

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