Manchmal schüttelt es einen nur noch. Es wird einem schlecht, der Ekel kriecht hoch. Dann, wenn es um das Leistungsschutzrecht geht.
Zur Erinnerung: Die deutschen Print-Verlage scheinen von forgeschrittener Schizophrenie befallen.
Einerseits machen sie tolle Geschäfte, sagen sie. Zeitungen würden in Deutschland bestimmt nicht sterben. Und weil es ihnen so gut geht, wollen sie eine Lockerung des Pressefusionsrechtes, denn gerade gut gehende Unternehmen kaufen sich gerne auf, weil die Preise für einander gerade so schön hoch sind.
Andererseits werden sie bestohlen, sagen sie. Vom Internet. Also, vor allem von Google und dessen automatisierten Zitaten in Google News. Zwar setzt Google keine Anzeigen neben den Dienst und schaufelt den Verlegern kräftig Leser zu – aber das ist egal, denn mit Lesern wussten die Online-Töchter von Verlagen schon immer wenig anzufangen. Auch hindert das Bestehlen von Google andere Verlage nicht daran, selbst zu bestehlen. Burda, zum Beispiel. Einerseits baut Burda Google News in Form von Nachrichten.de nach – nur schlechter und mit dem vagen Versprechen, irgendwann irgendwas zu zahlen. Andererseits rühmt sich der Verlag Blogs, die aus plumpem Abschreiben bestehen und erst (und dann zögerlich) Quellen verlinken, wenn sie einen auf die Finger bekommen.
Die Bestohlenen Bestverdienenden (eigene Angabe) fordern Satisfkation. In Form eines Monsters namens Leistungsschutzrecht. Wie das genau aussehen soll, das verhandeln die Vertreter der Pressefreiheit lieber hinter verschlossenen Türen. Journalisten, die darüber recherchieren, wird schon mal mit dem Urheberrecht gedroht.
Denn tatsächlich geht es natürlich nicht um irgendeine Form von Diebstahlsicherung (dazu müssten sie sich ja nur mit einer simplen Programmcode-Zeile aus Google News auslisten). Nein, es geht ihnen um das Betteln um Staatshilfe. Banken, Opel, Zeitungshäuser lautet die Zeitlinie.
Das Blöde an der Sache ist nur: Wer soll zahlen? Und was soll verboten werden?
Immer klarer wird, was da für eine Missgeburt entsteht.
Denn es ist ja nicht neu: Die Zeit, da ein paar Wohlhabende Herren (Damen sind in diesem Gewerbe ja eher selten) durch den Erwerb von Druckmaschinen die einzigen sind, die Meinung und Information unter das Volk bringen, sind vorbei. Nun kann jeder beitragen zum gesellschaftlichen Diskurs, dessen Moderation die ureigenste Aufgabe der Journalisten ist. Natürlich kann das Verlagen nicht passen. Denn so wird ein Oligopol zum Polypol – und das bedeutet sinkende Margen. Und Margen und Gewinne sind das, was Verleger heute umtreiben.
Erschreckenderweise spielen die Journalistengewerkschaften da gerne mit. Ich selbst bin aus dem DJV deshalb ausgetreten. Es ließ sich erahnen, was nun die im Gleichschritt mit den Verlegern marschierende Arbeitgeber…, pardon, Arbeitnehmervertretung Verdi in Gestalt ihres Justitiars Wolfgang Schimmel durchblicken lässt: Freie Journalisten dürfen demnächst bei der Verwendung von Material der Verleger entweder zahlen – oder sie müssen einen Vertrag abschließen.
Und das bedeutet gleichzeitig, all jene, die über Blogs führen, Homepages besitzen oder irgendwo sonst Inhalte von Medienhäusern zitieren wollen, sollen ebenfalls Verträge ausfertigen oder zahlen. Weil, das ist ja alles nicht so einfach, wie der schwer arbeitende Herr Schimmel klagt: “Es ist nicht einfach, freie Journalisten im Gesetz von Vergütungsansprüchen freizustellen.”
Folge: Freie Journalisten können einen Artikel selbst umgeschrieben praktisch nicht mehr an verschiedene Objekte verkaufen. Die Bezahlung durch ein einzelnes Medium aber reicht in den meisten Fällen für die Kaffeekasse – nein, das ist im Lokalzeitungsbereich keine Übertreibung. Fakt ist: Der freie Journalismus wäre als Beruf noch Hartz-IV-näher als ohnehin schon (Lesen Sie dazu bitte auch Stefan Niggemeier).
So sollen sie fortan verschwinden, all diese Mediengefährder, diese Hobby- und Bürgerjournalisten. Freie Journalisten? Dürfen bleiben und noch weniger verdienen als jetzt schon. Schon schlagen die Freischreiber, die Interessenvertretung der freien Journalisten Alarm:
„Die Verfechter des Leistungsschutzrechtes wittern offenbar die Gefahr, dass sich zu viele von der Zahlungspflicht an die Verlage befreien lassen könnten, indem sie als Berufsbezeichnung „Journalist“ angeben.
Um das Problem zu lösen, müssten freie Journalisten gesonderte Verträge mit der künftigen Online-Verwertungsgesellschaft der Verleger schließen. Diese Verträge sollen so gestaltet sein, dass freie Journalisten auf keinen Fall mehr bezahlen müssen als sie aus dem neuen Leistungsschutzrecht erlösen.
Nach Meinung von Freischreiber e.V. läuft dies auf ein Nullsummenspiel (mit erheblichem Bürokratiemehraufwand für freie Journalisten) hinaus. Sollten die Vorstellungen der Verleger Wirklichkeit werden, würden festangestellte Journalisten in jedem Fall vom Leistungsschutzrecht profitieren, freie Journalisten dagegen nicht oder kaum. Dies würde das ohnehin bestehende Einkommensgefälle weiter verschärfen.
Wir Freischreiber sind erstaunt über die offensichtliche Bereitschaft der verhandelnden Gewerkschaften, eine Spaltung in Journalisten 1. und 2. Klasse zuzulassen.“
Bleiben sollen noch die Großen. Die Verlage. Denen es so gut geht.
Verleger und Journalistengewerkschaften arbeiten Hand in Hand an der Beschneidung der Presse- und Meinungsfreiheit. Wir müssen darauf hoffen, dass Deutschlands Politiker dem Lobbyismus der Demokratiegefährder nicht erliegen. Viel Hoffnung besteht leider nicht. Es darf einem übel werden.
Kommentare
Leistungsschutzrecht als Innovationsbarriere – Von der Sehnsucht der Monopolisten « Ich sag mal 9. August 2010 um 18:33
[…] auch: Verleger, DJV und Verdi – die Feinde der Pressefreiheit. 50.732704 […]
Farlion 9. August 2010 um 19:46
Da frage ich mich als Blogger, wozu soll ich noch die Zeitungen verlinken? Ich persönlich zitiere eher mager und verlinke einfach zu Artikeln in Zeitungen, die sich mit dem gleichen Thema beschäftigen. Sollte dieses ominöse Leistungsschutzrecht eingeführt werden, passe ich da.
Wie denken die sich das eigentlich mit dem Zitieren von Blogs, was viele Medien ja mittlerweile bei populäreren Themen machen? Kann man, als Blogger, das dann in Rechnung stellen oder soll das nur wieder so ein einseitiger Geburtsunfall werden?
Klaus Minhardt 9. August 2010 um 21:22
Nicht jeder Landesverband steht hinter dem Blödsinn Leistungsschutzrecht. Der DJV Brandenburg kämpft seit langer Zeit vehement gegen die Steuer zur Rettung unwirtschaftlicher Geschäftsmodelle.
Welche Leistung erbringen die Verleger denn im Web? Sie stellen Artikel verschiedener Nachrichtenagenturen, zahlreichen Freien und ein paar angestellten Redakteuren zusammen und nennen das dann ein schützenswertes Produkt.
Im Internet kann das aber jeder und viele praktizieren es. Es ist die Funktion eines Guides oder Portals. Eine Redaktion trifft eine Vorauswahl interessanter Artikel nach dem Profil des Portals. Der Nutzer sucht sich die für ihn optimalen Zusammenstellungen aus und benötigt dafür keinen Verlag. Viele Leser suchen sich auch selbst die Artikel zusammen und nutzen Suchmaschinen, Blog, Twitter, Facebook oder Links. Das soll künftig alles nicht mehr kostenlos möglich sein. Das deutsche Internet könnte man dann auch abklemmen.
Für einen Verlag gäbe es auch ohne ein Leistungsschutzrecht eine einfache Lösung für ihr Problem: Nichts kostenlos in das Internet stellen und den Robots die Übernahme der Artikel zu untersagen. Allerdings verlören sie dann viele Leser, da diese die Website nicht mehr indizieren würden.
Geschützt wird dadurch nicht der freie Journalist, sondern nur der Dinosaurier Verlag, der im Internet noch immer kein funktionierendes Geschäftsmodell hat. Die Urheber sind durch das Urheberrecht gut geschützt und benötigen keinen weiteren Schutz. Das Leistungsschutzrecht soll nur den Medienhäusern helfen noch mehr Geld zu scheffeln. So fährt Springer Rekordgewinne ein und schreit besonders laut nach weiteren Rechten.
Würden die Verlage den Urhebern endlich angemessene Honorare bezahlen, dann würde man ja vielleicht noch die Holferufe verstehen. Tatsache ist allerdings, dass gerade die Freien häufig noch nicht einmal das Geld für den eigenen Lebensunterhalt zusammen bringen. Der Grund ist der Total Buyout durch die Medienhäuser. So können Urheber ihre Rechte nicht mehr ausüben, da diese ihnen ja von den Verlagen abgenötigt wurden. Wer dem nicht zustimmt bekommt keinen Auftrag.
Wer unvoreingenommen die aktuelle Situation im Journalismus betrachtet, kann nur festellen, dass nur die Freien massive Unterstützung benötigen. Die Verlage müssen sich nur endlich einmal mit dem Internet zukunftsoffen auseinandersetzen. Wer keine Idee hat, der soll einfach seinen Webauftritt abschalten.
Benno 9. August 2010 um 21:49
Dazu sehr passend:
„Und die, die da so vorlaut in der Talk-Runde strampeln,
Sind es, die auf allen Werten mit Füßen rumtrampeln:
Der Medienmogul und der Zeitungszar,
Die schlimmsten Böcke als Gärtner, na wunderbar!
Sie rufen nach dem Kruzifix, nach Brauchtum und guten Sitten,
Doch ihre Botschaft ist nichts als Arsch und Titten.
Verrohung, Verdummung, Gewalt sind die Gebote,
Ihre Götter sind Auflage und Einschaltquote.
Sie biegen die Wahrheit und verdrehen das Recht:
So viel gute alte Werte, echt, da wird mir echt schlecht!“
aus: Sei wachsam! von Reinhard Mey
siehe:
http://direkteaktion.over-blog.de/article-33109969.html
Links anne Ruhr (10.08.2010) » Pottblog 10. August 2010 um 4:47
[…] Verleger, DJV und Verdi – die Feinde der Pressefreiheit (Indiskretion Ehrensache) – […]
Fred 10. August 2010 um 8:42
Es ist ein Skandal.
Fred 10. August 2010 um 11:15
Bzw.: Selbst mit einer Geschichte vom Apfelbauern oder einem Märchen aus einem fernen Königreich nur schwer zu erklären:
http://wirres.net/article/articleview/5632/1/6/
http://alrightokee.de/verlierer/ein-marchen-aus-einem-fernen-medienkonigreich/
Tharben 10. August 2010 um 11:28
Mir fehlen die Worte, wie ungeniert sich die Konzernpresse auf Kosten der Pressefreiheit, damit der Gesellschaft und natürlich auf Kosten der freien Journalisten und der Netzöffentlichkeit von Gesetzgeber subventionieren zu lassen gedenkt.
Hörempfehlung:
Das Bootleg zur Leistungsschutzrechts-Anhörung. Der komplette Mitschnitt der mehrstündigen Anhörung zum Presse-LSR.
http://www.netzpolitik.org/2010/das-bootleg-zur-leistungsschutzrechts-anhoerung/
haekelschwein 10. August 2010 um 12:56
Das Bezaubernde ist ja, dass diese Medienunternehmen, die sonst überall den freien Markt preisen, für sich selbst ein gesetzliches Alimentierungssystem fordern.
Bleiben wir mal spaßeshalber im neoliberalen Denkrahmen, ohne auf die sozialen Implikationen einzugehen.
Selbst aus wirtschaftlichen Gründen ist es gefährlich, wenn deutsche Contentprovider ihr Heil vornehmlich in Abmahnungen und Verwertungsgesellschaften suchen statt im Qualitätswettbewerb.
Ein gutes Beispiel sind die Routenplaner, die einst von mehreren deutschen Kartenverlagen ins Netz gestellt wurden, nur um dann sämtliche Kleinunternehmer und Vereine abzumahnen, die ein Kartenbild als Anfahrtsbeschreibung auf ihre Homepage setzten.
Und dann kam Google Maps und das armselige Geschäftsmodell war dahin.
Niemand hat die deutschen Anbieter daran gehindert, selbst einen frei einzubindenden Kartendienst auf die Beine zu stellen, der zum deutschen Marktführer geworden wäre und innerhalb dessen sie Kartenteinträge für Restaurants und Läden, ähnlich wie in den Gelben Seiten, verkauft hätten.
Stattdessen sind sie durch das deutsche Abmahnrecht dazu verführt worden, das schnelle Geld mitzunehmen, aber das große Geld anderen zu überlassen.
Dass wir heute einen amerikanischen Kartendienst nutzen, um die nächstgelegene Apotheke in Buxtehude herauszufinden, ist eine Auswirkung davon, dass deutsche Contentprovider lieber die Gesetzeskeule schwingen als innovativ und mutig zu sein.
Beim Leistungsschutzrecht befürchte ich Ähnliches: Wenn die Rechtslage heikel, teuer und kompliziert wird, werden Blogautoren eben nicht mehr auf deutsche Zeitungen verlinken, sondern auf ausländische. Die inländischen Medien verlieren dadurch ihre Deutungshoheit nur noch schneller, und die ausländischen freuen sich über die zusätzlichen Werbeeinnahmen.
Living the future » Blog Archive » Wie lange kann ich dieses Blog noch schreiben: Thomas Knüwers “Verleger, DJV und Verdi – die Feinde der Pressefreiheit stimmt mich besorgt 10. August 2010 um 15:48
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Anonymous 11. August 2010 um 1:37
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Johannes 11. August 2010 um 8:54
Es sollte sich jeder die fünf Minuten Zeit nehmen, mal seinen Bundestagsabgeordneten anzuschreiben und mitzuteilen, für wie schwachsinnig man das hält. Mit etwas mehr Zeit kann man das effektiver auch per Brief, Telefon oder persönlich machen, aber für Eilige tut es eine E-Mail oder eine Frage auf http://abgeordnetenwatch.de. Keine Ahnung, ob es was bringt, aber da Politiker ja gerne wiedergewählt werden, sollten sie schon etwas auf die Stimmung in der Bevölkerung hören. 😉 Dem ein oder anderen muss man das auch vielleicht wirklich erst mal in einfachen Worten erklären, ehe er sich eine eigene Meinung bildet.
Martin S. 12. August 2010 um 11:53
Mir machen die Entwicklungen und die Diskussionen um unser Medienlandschaft zunehmend Sorge. Und, meine Sicht und Meinung zu diesem Thema ändert sich gerade drastisch.
Ich war der Meinung, daß wir die „klassischen Medien“ früher oder später nicht mehr brauchen. Warum? Sie sind ja buchstäblich „nicht mehr zu gebrauchen“. Investigativer Journalismus scheint tot, Meldungen werden oft von Agenturen durchgereicht und wirlich neues erfährt man erst über Twitter und die Details im Web.
Ich war fest davon überzeigt, daß das hoch-demokratische Web auch die Medielandschaft verändern und verbessern wird.
Klar, dieser Meinung bin ich noch immer. Die Möglichkeiten der Meinungsbildung, Recherche, Solidarisierung und Investigation sind fantastisch. Generationen haben davon geträumt.
Aber:
Prämisse: Ich nenne die klassischen Medien mal den „professionellen Journalismus“. Nicht im Sinne von Qualität, sondern im Sinne von Profession.
Die Tatsache, daß die derzeitigen Verlage und Medienanstalten nicht wissen wie sie mit den neuen Medien umgehen; die Tatsache, daß kein Geld für gute Journalisten und Recherche ausgegeben wird, darf nicht dazu führen, daß wir den professionellen Journalismus (der aus den klassischen Medien kommt) verteufeln und schleichend abschaffen.
Denn:
Wer ist in der Lage Skandale, Korruption oder Insidergeschäfte aufzudecken? Ein gut vernetzter professioneller Journalist. Ich traue das der Web-Community nicht oder nur in Ausnahmen zu. Zugegeben, Wikileaks ist gerade ein beeindruckcndes Gegenbeispiel. Respekt! Sollte es sich so entwickeln, bekomnen wir eine bessere „Medienlandschaft“ als je zuvor. Aber ist das Wikileaks-Beispiel nicht eine Ausnahme?
Wir brauchen ein Netz an (wieder angemessen) bezahlten Journalisten, die permanent und ohne Schere im Kopf berichten, aufdecken und über die Verlagshäuser auch juristischen Schutz haben.
Wir dürfen uns die freie professionelle Presse nicht selber kaputt-mobben. Wir brauchen sie, mehr denn je.
Über das Urheberrecht und Raublöscher, das Schwinternet und Street-View – suelz-koeln.de 13. August 2010 um 14:56
[…] Verleger, DJV und Verdi – die Feinde der Pressefreiheit […]